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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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vorhin gesprochen hat. Dort sitzen die Männer und erzählen von den Wundern und Taten vergangener Zeiten, von großen Feldherren und von anderen Helden. Auch von den Ereignissen der Gegenwart wird gesprochen, wenn sie wichtig sind, zumal wenn sie sich in der hiesigen Landschaft abgespielt haben. Da hat er auch einigemal von dem Emir aus Alemanja (Deutschland) und seinem arabischen Begleiter gehört, welche meine Gäste gewesen sind. Diese beiden Männer sind unvergleichliche Jäger und die berühmtesten Krieger der ganzen Dschesireh (Land zwischen Euphrat und Tigris). Wenn sie ihn angreifen, muß der stärkste Löwe sein Leben lassen, und vor ihrer Tapferkeit, ihrem Mut, ihrer List und ihren Gewehren fürchten sich alle Stämme, welche zwischen dem Grenzgebirge und der Wüste wohnen. Dieser Kara Ben Nemsi soll sogar verzauberte Gewehre besitzen, deren Kugeln gar nicht geladen zu werden brauchen und doch niemals ihr Ziel verfehlen. Ich halte das natürlich für Aberglauben; aber wenn sich so eine Legende hat bilden können, müssen er und sein Halef, ohne welchen er noch nie gesehen worden ist, doch ganz außerordentliche Männer sein.“
    Bei diesen Worten glänzte das Gesicht meines kleinen Hadschi vor Entzücken; seine Augen strahlten, und seine Stimme klang jubelnd, als er fragte:
    „Halef? Heißt er nur so? Kennst du denn nicht seinen ganzen Namen?“
    „Ich kenne ihn; er lautet, soviel ich mich erinnere, Hadschi Halef Omar.“
    „Oh, nein; das ist nur der Anfang desselben. Dieser größte und berühmteste Krieger unter allen Stämmen der Beduinen heißt Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah. Und das ist noch lange nicht sein vollständiger Name, denn er könnte ihn infolge seiner unzähligen und glanzvollen Ahnen, Urahnen und Großvätersururahnen so ausdehnen, daß er von der Erde bis hinauf zum Himmel und dann von diesem wieder sechsmal bis herunter zur Erde reichte.“
    Der Alte kannte jedenfalls die beduinische Ansicht, daß ein Mann um so mehr zu ehren sei, je länger sein Name ist, und daß daher ein jeder, der etwas aus sich machen will, an seinen eigenen Namen so viele Namen seiner Vorfahren, als er kennt oder auch nicht kennt, anzuhängen pflegt. Daher fiel ihm die lange Reihe, welche Halef genannt hatte, gar nicht auf; auch ging er über die vielfache Entfernung zwischen Himmel und Erde, nur einmal hinauf aber sechsmal herunter, hinweg und meinte:
    „Ich möchte wissen, ob es wahr ist; man sagt nämlich, daß dieser Halef ursprünglich ein ganz armer, unbekannter Mann gewesen sei und es aber durch seine Tapferkeit bis zum obersten Scheik der Haddedihn gebracht habe.“
    „Was man da gesagt hat, ist wahr; ich kann es bezeugen“, bestätigte Halef.
    „Oder liegt vielleicht nur eine zufällige Gleichheit der Namen vor?“
    „Nein. Hadschi Halef Omar, der größte Held in Asien und Afrika, und Hadschi Halef Omar, der oberste Scheik der Haddedihn vom großen Stamm der Schammar, sind eine und dieselbe Person. Würdest du diesen Besieger aller bisherigen Helden erkennen, wenn er wieder einmal zu dir käme?“
    „Das bezweifle ich, denn meine alten Augen sind sehr matt und schwach geworden.“
    „Auch nicht an der Stimme?“
    „Ich weiß es nicht. Um sich die Stimme eines Menschen zu merken, muß man lange mit ihm beisammengewesen sein; dieser Hadschi Halef Omar aber war nur sehr kurze Zeit bei mir. Auch ist er mir damals gar nicht so aufgefallen, daß sein Gesicht und seine Stimme sich meinem Gedächtnisse eingeprägt hätten.“
    „Nicht aufgefallen? Was höre ich! Erlaube, daß ich im höchsten Grade erstaunt bin! Ein siegreicher Held, wie dieser unvergleichliche Scheik der Haddedihn ist, besitzt doch eine so unerforschliche Tiefe der Einprägung, daß seine Stimme durch die festesten und härtesten Felsen des Erdbodens klingt und sein Gesicht auch mit dem schärfsten Messer nicht aus dem Ruhmesreichtum seiner Vergangenheit und dem verehrungsvollen Gedächtnisse seiner Bewunderer herausgeschnitten werden kann. Alle Krieger der feindlichen Stämme und alle wilden und reißenden Tiere des Gebirges haben sich sein Gesicht gemerkt und nehmen sofort Reißaus, sobald sie ihn sehen oder seine gewaltige Stimme hören. Und du, welcher die große Ehre hatte, ihn hier in diesem Haus kennenzulernen und die Herrlichkeit seiner Vorzüge einzuatmen, hast ihn vergessen können? Ich bin erstaunt darüber, so erstaunt, daß es keine Sprache gibt, welche Worte genug besitzt, die

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