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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sein sollten, und weit über hundert Soldaten und Offiziere erschossen, unter denen auch ich mich befand.“
    „Unter den Erschossenen?“ fragte ich.
    „Ja.“
    „Und doch lebst du noch?“
    „Oczywiscie! Es ist beides richtig, obgleich ein Widerspruch vorhanden zu sein scheint. Ich wurde erschossen und lebe noch, daß ich noch lebe, habe ich hier meinem Onbaschi zu verdanken, dem ich diese Rettung meines Lebens, obgleich es keinen Wert mehr für mich hat, niemals vergessen werde.“
    „Du machst mich wißbegierig, o Bimbaschi! Was du bisher erzähltest, war mir längst bekannt; jetzt nun erwarte ich, eine Episode zu hören, welche unser ganzes Interesse in Anspruch nehmen wird.“
    „Ich bitte dich, mir meine bisherige Ausführlichkeit zu verzeihen! Ich verschuldete sie, weil ich glaubte, diese Darlegungen deinem Hadschi Halef geben zu müssen. Von jetzt an wirst du dich aber nicht mehr gelangweilt fühlen. Du kannst dir wohl denken, daß es mir entsetzlich gewesen wäre, wenn man mich gezwungen hätte, auf unschuldige Christen zu schießen; aber ich war Offizier und hatte gehorchen müssen. Glücklicherweise wurde meine Kompanie zu den Truppen kommandiert, die das Kastell zu bewachen hatten, was mich von dem Zwang befreite, grausam gegen Menschen zu sein, deren Glaube früher der meinige war. Ich mußte drei Tage und drei Nächte lang vor dem Kastell liegen, ohne meine Kinder, mein Weib und deren Eltern zu sehen, und als ich dann für einen halben Tag abgelöst wurde, fand ich das Haus mit der ganzen Gasse eingeäschert und erfuhr, daß der Grimm des Pöbels sich nicht nur gegen die Christen, sondern gelegentlich auch gegen schiitisch gesinnte Mohammedaner gerichtet habe. Der Vater meiner Frau war Perser, also Schiit; das wußte das ganze Stadtviertel, in welchem wir wohnten; ebenso wußte man, daß er reich sei, und das war genug, die Plünderungslust sunnitischer Halunken nach unserem Haus zu lenken. Du kannst dir denken, was ich fühlte! Ich begann wie ein Wahnsinniger in den Trümmern des Hauses zu wühlen; Kepek half mir dabei; aber sie rauchten noch, und wir mußten der Hitze weichen. Nun rannten wir in der Nachbarschaft herum, Erkundigungen einzuziehen, und diese verwandelten meine Trauer in Wut: Nicht sunnitische Gläubige hatten mir mein Glück gemordet, sondern eine Schar herabgekommener Perser, angeführt von einem ihm feindlich gesinnten Landsmann meines Schwiegervaters, war es gewesen, welche ihn und die Seinigen ermordet, beraubt und dann das Haus in Brand gesteckt hatten. Seitdem hasse ich alles, was Perser oder persisch heißt, und spätere Ereignisse haben diesen Haß nicht vermindern, sondern nur vergrößern können. Ich war unsinnig vor Grimm und beschloß, nach den Missetätern zu forschen; es war bei der großen, überall herrschenden Verwirrung unmöglich, sie anders als durch Zufall zu finden; aber alle Vorstellungen Kepeks vermochten nicht, mich von meinem Vorhaben abzubringen. Unser Urlaub lief ab; wir mußten bei dem Buluk eintreffen, und Kepek machte mich auf die Folgen der Überschreitung aufmerksam. Seine Warnungen waren für mich Luft; es fiel mir nicht ein, meine Nachforschungen zu unterbrechen, aber ich schickte wenigstens ihn zurück und trug ihm auf, mich bei dem Oberst zu entschuldigen und ihn um Verlängerung meines Urlaubs zu bitten. Ich dachte in meiner Aufregung nicht daran, daß mir dieser Offizier nicht wohlwollte, weil ich früher Christ gewesen war und infolge meines Übertritts und meines jetzigen Fleißes eine Charge bekleidete, die er in meinem Alter noch nicht erreicht gehabt hatte. Ich hatte Hoffnungen auf ein rasches Avancement, um welche er mich beneidete. Als ich mich nach fast zweitägigem, vergeblichem Suchen todesmüde und auch geistig marode bei ihm einstellte, ließ er mich festnehmen und einsperren. Als ich dann vor das Kriegsgericht geführt wurde, erfuhr ich, daß ich nur angeblich nach meinen Verwandten und deren Mörder gesucht habe, sondern dies nur als Vorwand vorbringe, um meine Abwesenheit zu beschönigen; die Wahrheit sei, daß ich mich in hervorragender Weise an der Ermordung der Christen beteiligt habe. Es wurden mir sogar Menschen gegenübergestellt, welche dies bezeugten, und diese Menschen waren – – – Perser, persische Diener, welche der Vater meines Weibes aus seinem Geschäft verjagt hatte, weil er von ihnen betrogen worden war.“
    „Ich kann mir alles erklären. Fuad Pascha suchte Schuldige, und da die eigentlichen Urheber

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