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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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keine Ahnung von der Verwirrung, in der sie sich befanden, als Midhat die Verwaltung von Iraq Arabi übernahm. Es dauerte lange Zeit, ehe es ihm gelang, Ordnung zu schaffen, und die Strenge, mit welcher er dies tat, hatte zur Folge, daß die Zöllner hier noch mehr gehaßt wurden als in anderen Gegenden, wo man ihnen doch auch keine Liebe entgegenbringt. Man blieb nicht nur beim Haß stehen, sondern man verfolgte sie und schonte selbst ihr Leben nicht, denn der Schmuggel blühte auf dem Fluß und besonders von der persischen Grenze her in einer Weise, daß sich Hunderte und Aberhunderte von ihm nährten, die nun mit uns, den Beamten, um ihre Existenz kämpfen mußten. Ob es jetzt wieder so ist, das weiß ich nicht, das geht mich nichts mehr an; ich bekümmere mich nicht darum; aber ich bitte dich, mir zu glauben, daß ich als der oberste der Zollbeamten der am meisten Gehaßte und schließlich nirgends meines Lebens sicher war. Wir haben damals Gefahren bestanden, welche ich nicht noch einmal erleben möchte, und wenn du meinen dicken Onbaschi jetzt betrachtest, ist es kein Wunder, zu bezweifeln, daß er mir stets ein treuer und mutiger Helfer gewesen ist.“
    „Welche Waren wurden damals geschmuggelt?“ erkundigte ich mich.
    „Vorzugsweise Felle, Seide, Shawls, Teppiche, Türkise, Hausenblase und Opium. Jetzt aber würde bei der Höhe des Zolls, der auf ihm liegt, Safran der einträglichste Gegenstand des Schmuggels sein.“
    Als er dies sagte, mußte ich unwillkürlich an den Pädär-i-Baharat, den ‚Vater der Gewürze‘ denken und an das, was ich gehört hatte, als ich ihn und seine zwei Gefährten oben am Tigris belauschte. Er fuhr fort:
    „Die Pascherei wurde nicht etwa von jedem, wie ihm beliebte, betrieben, sondern ich machte die Bemerkung, daß sie sehr gut organisiert sein müsse. Es gab jedenfalls Oberhäupter, niedere Chargen und gewöhnliche Schmuggler. Diese Leute mußten geheime, aber umfangreiche Niederlagen besitzen, in denen die Waren aus allen Gegenden zusammenflossen und dort bis zu dem Augenblick aufbewahrt wurden, an welchem sie ohne Besorgnis gleich in Menge fortgeschafft werden konnten. Ich war schon lange Zeit im Amt, ohne daß es mir gelingen wollte, eine solche Niederlage zu entdecken, und als mir dieser Wunsch endlich, endlich erfüllt wurde, kostete es mich nicht nur mein Amt, sondern auch mein Vermögen, mein ganzes Vermögen, so daß ich durch diesen längst herbeigesehnten Erfolg zum armen Mann wurde.“
    „Wie ist das möglich? Ein solcher Erfolg muß doch Nutzen und Beförderung anstatt Schaden und den Verlust des Amtes bringen!“
    „Das sagst du, weil du nicht weißt, in welcher Weise diese Entdeckung geschah. Ich habe bisher streng darüber geschwiegen; dir aber will ich alles erzählen, nur möchte ich vorher wissen, wie du über den Eid denkst. Welche Ansicht hast du von ihm?“
    „Ich kenne zwar die Beziehung nicht, in welcher du diese Frage aussprichst, aber ich sage, daß der Eid ein heiliges Gelöbnis ist, welches man für keinen Fall brechen darf. Ich würde lieber sterben, als einen Eid verletzen, den ich geschworen habe.“
    „Dann muß ich freilich Schweigen und darf dir nichts erzählen, denn ich habe geschworen, gegen jedermann zu schweigen, und Kepek hat denselben Eid leisten müssen.“
    „War es wirklich ein Eid?“
    „Ja.“
    „Von der Obrigkeit euch abgefordert?“
    „Obrigkeit? Nein.“
    „Von wem denn?“
    „Von den Schmugglern.“
    „Dann war es nur ein Schwur, und zwar ein erzwungener, wie ich vermute. Habe ich es erraten?“
    „Ja.“
    „So brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Der Begriff des Eides erfordert unbedingt, daß er von der zuständigen Obrigkeit verlangt und vor ihr abgelegt worden ist. Du hast also keinen Eid geschworen. Und selbst der Schwur, den du beim Namen Gottes dir selbst oder einem anderen Menschen gibst, verpflichtet dich nur dann zur Erfüllung desselben, wenn es sich um eine löbliche, also nicht verbotene Angelegenheit handelt. Den Namen Gottes in einer schlechten Sache anzurufen, ist nichts als Gotteslästerung, und diese Lästerung wird auch zum Verbrechen gegen die menschlichen, die staatlichen Gesetze, wenn man einem solchen Schwur Gehorsam leistet. Ist einem aber ein solcher Schwur gar abgezwungen worden, so kann seine Erfüllung zum Verbrechen werden, und man ist nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, sich nicht nach ihm zu richten. Hast du vielleicht schwören müssen, verbotene Taten zu

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