20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
verschweigen?“
„Ja.“
„So hast du damit ein Unrecht, ein großes Unrecht begangen.“
„Es galt unser Leben; man hätte uns ermordet, wenn wir es nicht taten.“
„Ich an deiner Stelle hätte dennoch nicht geschworen. Aber du bist nicht ich, und deine Ansichten über den Eid und über den Schwur sind nicht die meinigen, zumal dir der Islam ebenso gleichgültig ist, wie du ein lauer Christ gewesen bist; aber du bist ein Mann, und ein Mann, ein wahrer Mann hält sein Wort, welches ihm heilig ist und welches er nicht gegen Zwang und für eine schlechte Sache hinwirft!“
„Du magst recht haben, und ich streite nicht mit dir, es ist mir eigentlich auch nicht um den Eid an sich, sondern um die Folgen, welche eintreten sollen, wenn ich ihn nicht halte. Seid ihr, du und dein Halef, verschwiegen, so verschwiegen wie das Grab, welches keine Worte hat, so kann ich ruhig erzählen, was ich euch erzählen möchte.“
„Das Beispiel oder Gleichnis vom Grab ist nicht gut gewählt. Das Grab ist nicht verschwiegen; es spricht im Gegenteil eine sehr laute, beredte und ernste Sprache, die sogar in Donnerworten erklingen kann, nicht für das leibliche, sondern für das geistige, das seelische Ohr. Wir versprechen dir also, verschwiegener als das Grab zu sein, falls es sich nicht um eine Angelegenheit handelt, welche mitzuteilen wir verpflichtet sind.“
„Diese Verpflichtung habt ihr nicht, denn ihr seid keine vom Padischah verpflichteten und vereideten Zollbeamten. Ich weiß, daß ich mich auf dein Wort verlassen kann und werde also weitersprechen. Nämlich wenn ich damals manche Ereignisse und Vorkommnisse, die Erfahrungen und Ansichten meiner Untergebenen mit den Resultaten meiner eigenen Beobachtungen und Nachforschungen verglich, so führten in Beziehung auf den gesuchten Knotenpunkt der Schmuggelei die Fäden alle nach den Ruinen von Babylon. Es würde zu weitläufig sein, dir die Gründe dazu alle mitzuteilen. Ich folgte diesen Fingerzeichen und engagierte zwei arme Beduinen, welche von ihrem Stamm ausgestoßen worden waren und also gegen keinen Menschen irgendwelche Verpflichtungen hatten. Nachdem ich mich durch freigebige Versprechungen ihrer Treue versichert hatte, schickte ich sie nach dem Ruinenfeld. Sie mußten tun, als ob sie dort Ausgrabungen veranstalteten, um die Funde zu verkaufen, hatten aber die Aufgabe, ihre Augen besonders während der Nächte offenzuhalten und mir sofort heimlich Mitteilung zu machen, falls ihnen eine mir nützliche Entdeckung gelingen sollte. Es waren zwei pfiffige Kerls, und kaum waren einige Wochen vergangen, so machten sie mir eine Mitteilung, welche mich in Entzücken versetzte. Sie hatten Schmuggler beobachtet, welche zu verschiedenen Zeiten und aus verschiedenen Richtungen mit beladenen Tieren oder die Lasten selbst tragend nach einer bestimmten Stelle gegangen waren und sich dann, ohne die Pakete bei sich zu haben, wieder entfernt hatten.“
„Du erfuhrst also diese Stelle?“
„Ja. Sie konnte mir sehr leicht bezeichnet werden, obwohl die beiden Spione sich wohlweislich gehütet hatten, sich so weit heranzuwagen, daß sie hätten bemerkt werden können. Es war am Birs Nimrud; ich weiß den Ort noch heut genau und werde ihn dir nicht nur beschreiben, sondern sogar zeichnen. Ich belohnte die Spione reichlich und befahl ihnen, noch weiter aufzupassen. Die Nachrichten, welche sie mir brachten, bestätigten das Vorherige in der Weise, daß ich beschloß, die Entdeckung auszunützen. Ich brach mit zehn zuverlässigen Untergebenen und Kepek auf, um die betreffende Stelle genau zu untersuchen.“
„In welcher Weise sollte das geschehen?“
„Das werde ich dir später sagen. Es handelte sich um eine verborgene Niederlage von Waren, die jedenfalls einen Raum bildete, der einen Eingang haben mußte, nach welchem zu forschen war. Zu diesem Zweck nahmen wir Werkzeuge zum Graben und Hacken mit.“
„Ah! Diese Arbeit wolltet ihr am Tag vornehmen?“
„Natürlich! Wann sonst? Es war doch nicht möglich, sie des Nachts zu verrichten.“
„So habt ihr diese Werkzeuge vergeblich mitgenommen.“
„Woher weißt du das?“
„Ich ahne es. Ja, ich vermute noch mehr, nämlich daß ihr verunglückt seid.“
„Das schließest du daraus, daß ich von einem erzwungenen Eid gesprochen habe!“
„Nicht nur daraus. Deine beiden Spione haben dich betrogen.“
„Nein, ganz gewiß nicht; sie waren treue, zuverlässige Menschen.“
„Das möchte ich bezweifeln.“
„Es gibt
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