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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Nähe des Ortes an einer von ihm rechtlich erworbenen Stelle ein Haus bauen wollte, wurde er von ihnen verjagt, infolgedessen er ihnen in seinem berechtigten Zorne drohte: ‚Ich baue es dennoch, und zwar werde ich es auf eure Schädel gründen!‘ Die Rache kam bald; fast die ganze Stadt wurde der Erde gleichgemacht. Es versteht sich ganz von selbst, daß es nun den Christen in Damaskus angst und bange wurde. Weißt du, Effendi, wieviel ihrer damals dort wohnten?“
    „Über zwanzigtausend. Weil Dimeschk esch Scham (Damaskus) die Hauptstadt des Vilajets Syrien und des Sandschaks Scham-i-Scherif ist, war leider mit Bestimmtheit vorauszusehen, daß die Wirren sich auch dorthin ziehen und vielleicht gar einen noch blutigem Ausgang als im Gebirge nehmen würden.“
    „Das ist es, was ich auch sagen wollte. Und was jedermann dort wußte. Die Christen der Hauptstadt schienen zwar in tiefem Frieden mit den Mohammedanern zu leben, forderten aber deren Haß und Neid unvorsichtigerweise durch ihr selbstbewußtes Auftreten und durch die Prunkhaftigkeit heraus, mit welcher sie ihre Wohnungen ausstatteten und ihre Frauen und Töchter geschmückt und unverschleiert durch die Straßen gehen ließen. Sie hatten vergessen, daß der Moslem sich noch immer als den Eroberer, als den Herrn des Landes betrachtete und daß sie nur die Rechte der Ra'aja (Schutzbefohlene) besaßen, welche sich die Erlaubnis, im Land wohnen zu dürfen, durch die Kopfsteuer erkaufen mußten. Sie waren als Ra'aja vom Grundbesitz ausgeschlossen gewesen, hatten sich also auf den Handel legen müssen und durch denselben Reichtümer erworben, welche sie nun unklugerweise zur Schau zu tragen wagten. Dieser Besitz war zwar ihr Eigentum, und jeder Mensch soll zeigen dürfen, was er sich erworben hat, aber es ist nicht klug, dies in einer Weise zu tun, welche die Augen anderer Leute mit Gewalt darauf lenkt. Du wirst das Auftreten reicher, christlicher Griechen und Armenier genugsam kennengelernt haben, und solltest du dennoch nicht meiner Meinung sein, so verweise ich dich auf die reichen Jehuhd (Juden) des Abendlandes, die dort auch nur Schutzbefohlene waren und von den dortigen Nicht-Juden mit Neid betrachtet werden. Gibst du dies zu?“
    „Ich kann es nicht leugnen. Sprich weiter!“
    „Als die Sorge in Damaskus mehr und mehr zu steigen begann, fragten die christlichen Konsule bei dem Pascha an, ob Gefahr für die Christen vorhanden sei. Er antwortete beruhigend, zog aber aus der meist von Turkmenen und Kurden bewohnten Vorstadt Salehijeh tausend Mann zusammen, welche scheinbar zum Schutz der Christen, eigentlich aber dazu bestimmt waren, mit der Ermordung derselben den Anfang zu machen. Auch der Scheik ul Islam, welcher die Seele der Verschwörung war, tat das Seinige, die Befürchtungen einzuschläfern. Hingegen gab es auch viele hochgestellte Mohammedaner, welche den Christen wohlgesinnt waren und sie warnten. Durch die Mitteilung dieser Leute erfuhr man, daß das Militär bereit zum großen Mord sei und daß auch eine heimliche Waffenverteilung unter die Zivilbevölkerung stattgefunden habe. Schließlich sah man gar eine Menge von Hunden, denen das christliche Kreuz am Halse hing, auf den Straßen herumlaufen, aber weder diese allerstärkste der Verhöhnung, noch andere Anzeichen waren imstande, die geradezu mit Blindheit geschlagenen Bedrohten aus ihrem unglückseligen Abervertrauen aufzurütteln. Kennst du den Tag, an welchem das Unglück hereinbrach wie ein Blitzstrahl, der vom wolkenlosen Himmel niederfällt?“
    „Es war der neunte Juli.“
    „Richtig! Die Muezzins riefen eben zum Gebet; die Häuser und Bazars entleerten sich, und die Straßen waren voller Menschen. Da erscholl plötzlich überall der Ruf: ‚Mordet, raubt und brennt! Heut ist der Tag des Todes für die Christen!‘ Im Nu waren die Christenquartiere besetzt, und das fürchterliche Werk begann, um erst nach vollen sieben Tagen ein Ende zu nehmen. Schon am dritten Tag waren gegen vierzehnhundert Häuser eingeäschert. Über fünftausend Menschenleben gingen zugrunde; mehr als tausend Frauen und Mädchen waren ermordet worden oder verschwunden.“
    „Aber dieser Christenmord“, schaltete ich ein, „hätte noch viel, viel weiter um sich gefressen, wenn Abd el Kader, der ebenso berühmte wie edle algerische Beduinen-Emir, nicht gewesen wäre.“
    „Ja, dieser furchtbare Gegner der Franzosen hatte sein Vaterland verlassen müssen und war nach Damaskus gekommen, um seine letzten Jahre

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