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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gang und unten in dem Vorratsraum hat also wohl ungefähr dreihundertfünfzig Zentimeter oder nach persischem Maße drei königliche Ellen und eine halbe Väjab betragen.“
    Er sah mich nachdenklich an und sagte:
    „Ich muß dich immer wieder fragen, warum du dich so eingehend erkundigst und nun gar eine so genaue Berechnung anstellst?“
    „Und ich antworte dir immer wieder, daß ich das nur aus alter Gewohnheit tue. Wenn man weiß, wie tief der Vorratsraum unter dem Gang liegt, dessen Lage man kennt, kann man, ohne das Innere zu betreten, auch von außen angeben, in welcher Höhe oder Tiefe des Birs Nimrud man diesen Raum zu suchen hat. Welche Ecke des Gangs war es, in welcher die Stricke lagen?“
    „Hinten rechts. Aber mir kommt es vor, als ob du Absichten hegtest, die du mir verheimlichen willst!“
    „Ich habe keine; aber ich werde dir später eine Mitteilung machen, welche dich an die Harmlosigkeit meiner Fragen glauben lassen wird. Also der Raum, von welchem du sprachst, war mit Schmuggelwaren angefüllt?“
    „Vollständig angefüllt, und zwar so, daß kaum genug Platz blieb, sich zwischen ihnen zu bewegen. Der Säfir befahl, rundum zu leuchten, und da sahen wir eine Menge der sehr mühselig und kostspielig herzustellenden Kalämkar-Gewebe (wörtlich: ‚Federzeichnung‘), deren Farben mit Sakkes-Harz fixiert werden. Ferner kostbare Shawls aus Murgus-Wolle (Angoraziege) und herrliche Färschha (Teppiche) aus Farahan bei Kirmanschah, geflammte Seide und wellige Charah (Moire) und palmendurchwebte Shawls abrischum. Auch sah ich große Ballen von Saghri (Chagrin), Tscherme hamadani (Maroquins) und Puste buchara (schwarze Lammfelle aus Buchara). Hierauf wurden wir durch noch drei andere Räume geführt, in denen ähnliche Waren aufbewahrt wurden, auch andere Dinge wie Haschisch, Opium, Gewürze, Rosenöl und Arsenik aus Kaswin, für Konstantinopel bestimmt. Es wurden uns auch Lapislazuli aus Turkestan gezeigt und Diamanten, welche in Ispahan und Schiras geschliffen worden waren, und eine ganze Menge Baras, Schirbam und Maden-i-Nau (drei nach ihrer Qualität verschiedene Türkisarten), welche an sich ein Vermögen ausmachten.“
    „Wozu hat man dir, dem obersten Zollbeamten, dem man es doch hätte verheimlichen sollen, das alles gezeigt? Es gibt nur einen Grund, nämlich den, daß man dich in Versuchung führen und ins heimliche Einvernehmen mit den Schmugglern bringen wollte. Wenn du dich verlocken ließest, darauf einzugehen, konnten sie natürlich noch weit bessere Geschäfte machen als bisher.“
    „Ja, das war der Zweck. Der Säfir machte mir den Vorschlag, seine Gesellschaft zu begünstigen, und bot mir dafür eine jährlich zu zahlende Summe an, welche so beträchtlich war, daß ein anderer sich sehr wahrscheinlich hätte verleiten lassen; ich aber sagte ihm kurz, daß ich weder ein Verbrecher sei noch einer werden wolle. Hierauf zeigte er mir Geld, sehr viel Geld und sagte, er werde mir die erste Jahressumme gleich heut auszahlen und mir auch meine Anweisung zurückgeben, da er mich als seinen Verbündeten dann doch nicht berauben könne. Ich blieb aber fest. Da ergrimmte er und sagte:
    ‚Du hältst die Gefahr, in welcher du dich befindest, wahrscheinlich nicht für so groß, wie sie in Wirklichkeit ist. Es handelt sich um euer Leben. Ihr kennt unser Versteck und habt alles gesehen, was sich darin befindet; folglich kann nur euer Tod uns die Sicherheit bieten, auf welche wir nicht verzichten dürfen. Ich gebe dir noch Zeit zum Überlegen. Ich schicke jetzt einen Boten mit deiner Anweisung nach Bagdad. Wird sie nicht bezahlt, bist du auf alle Fälle verloren; bekommen wir das Geld, so werde ich noch einmal mit dir reden.‘
    Als er diese Drohung ausgesprochen hatte, wurden wir wieder gebunden wie vorher und dann eingesperrt, ohne daß man uns mit Wasser oder einer Speise versah.“
    „Du vergißt, den Ort zu sagen, an welchen man euch brachte. Auch hast du von noch drei Räumen gesprochen, ohne zu erwähnen, in welcher Weise sie zusammenhingen und wie ihr aus dem einen in den andern gelangt seid.“
    „Durch Türöffnungen, welche mit Teppichen verhängt waren.“
    „Es gab also keinen verborgenen Mechanismus, durch welchen etwaigen Eindringlingen der Zugang unmöglich gemacht wurde?“
    „Nein.“
    „So handelt es sich also nur um zwei verborgene Stellen, nämlich um den äußern Eingang und um die unter den Stricken versteckte Treppenöffnung. Wie lagen die drei Räume zu dem

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