20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
hoffentlich zu?“
„Gern nicht, Sir.“
„Nicht gern, aber doch. Ihr seid ja dazu gezwungen.“
„Ich meine aber doch, es ist ganz egal, ob sie wissen oder nicht, wo wir stecken.“
„Da irrt Ihr Euch. Es ist ganz und gar nicht egal, ob sie das wissen oder nicht. Wenn sie es nicht erfahren hätten, so wüßten sie nicht, wohin sie ihre Aufmerksamkeit zu richten haben; nun aber haben sie es erfahren, und wie ich sie kennengelernt habe, werden sie sich das zunutze machen.“
„Möchte wissen, wie?“
„Denkt nach, so werdet Ihr darauf kommen!“
„Ich meine, daß ich es auch ohne Nachdenken von Euch erfahren kann.“
„Ja, es würde mir aber lieber sein, wenn Ihr es durch Euern eigenen Genius fändet.“
„Geht mir mit dem Genius! Ein Stück gute Büffellende ist mir lieber.“
„Das glaube ich Euch, ohne daß Ihr es mit einem Eid bekräftigt. Die Roten haben Mr. Dschafar in ihren Händen, und ich habe ihren Häuptling gefangengenommen. Was werden sie denken, daß nun geschieht?“
„Daß beide gegeneinander ausgewechselt werden sollen.“
„Richtig!“
„Dabei kommen sie noch sehr gut weg, denn ihr Gefangener ist ein gewöhnlicher Mann, wenigstens nach ihren Begriffen, während der unserige ein Häuptling ist. Sie werden also gern auf unser Verlangen eingehen.“
„Sobald es Tag geworden ist, ja, eher aber nicht.“
„Meint Ihr? Warum nicht eher?“
„Am Tag können sie nichts mehr gegen uns tun; die Nacht aber können sie zu einem Streich gegen uns ausnützen.“
„Uns etwa überfallen?“
„Gewiß. Wenn es ihnen gelingt, ihren Häuptling zu befreien, brauchen sie Mr. Dschafar nicht herzugeben.“
„Das sollen sie nur einmal versuchen!“
„Warum nicht?“
„Wir würden sie mit zerschossenen Köpfen fortschicken. Ich wollte sehr, sie täten es; das wäre mir das höchste der Gefühle.“
„Oh, ich bin überzeugt, daß sich in diesem Fall noch ganz andere Gefühle einstellen würden, die nicht zu den höchsten gehören. Bei Tage können sie uns nicht überfallen, sich nicht an uns wagen; da fürchten sie sich vor uns; das ist ja längst erwiesen. Aber des Nachts kann ihnen ein solcher Streich gelingen.“
„Nein!“
„Doch!“
„Wir werden aufpassen!“
„Das nützt uns nichts. Was hilft uns alle Aufmerksamkeit, wenn sie uns einschließen?“
„Einschließen? Hm! Und wenn sie das täten, würden wir uns wehren!“
„Am Tage, ja; aber wie wollt Ihr Euch des Nachts gegen einen Feind wehren, den Ihr nicht sehen könnt?“
„Aber Sir, wir sind ja geschützt, wir sind rückenfrei!“
„Ja, wir haben hier hinter uns den steilen, bewaldeten Berg, von welchem aus sie uns des Nachts nicht angreifen können.“
„Und der uns auf alle Fälle eine Zuflucht bietet.“
„Ihr seid wirklich ein großer Stratege, Mr. Snuffle, und ein noch viel größerer Taktiker!“
„Pshaw! Wenn Ihr Euch über mich lustig machen wollt, so tut es immerhin; es ist ein sehr billiges Vergnügen!“
„Ich treibe keinen Scherz, sondern ich spreche sehr im Ernst. Die Roten wissen, wo wir stecken. Wir liegen hier am Rande der Ebene, am Fuße des Berges. Sie brauchen nur eine Linie zu bilden, welche links von uns einen Halbkreis hinaus in die Ebene zeichnet, der rechts von uns wieder an den Berg stößt, so sind wir eingeschlossen.“
„Und Ihr meint, sie greifen uns dann an?“
„Ja.“
„Das sollen sie nur wagen!“
„Sie wagen gar nicht viel. Sie ziehen den Halbkreis enger und enger zusammen, bis er keine Lücke mehr aufweist, und fallen dann plötzlich über uns her.“
„Da wehren wir uns!“
„Pshaw! Womit?“
„Mit den Gewehren.“
„Schießt doch einmal des Nachts auf jemanden, den Ihr nicht seht!“
„So lassen wir sie so nahe herankommen, daß wir sie sehen.“
„Dann ist es für die Gewehre zu spät; sie nützen uns nichts mehr.“
„So nehmen wir die Messer!“
„Also Nahkampf? Da sind sie uns überlegen, siebzig Krieger gegen unsere wenigen Leute! Euern Mut und Eure Tapferkeit in allen Ehren; ich stelle auch meinen Mann; aber wenn in der Nacht in einem einzigen Augenblick siebzig Indianer auf uns eindringen, so sind wir verloren; wir werden zwar einige von ihnen erstechen oder erschießen, werden aber gewiß binnen weniger Minuten niedergemacht.“
„So fliehen wir in den Wald, da den Berg hinauf; da können sie uns nicht folgen!“
„Und die Pferde lassen wir zurück?“
„Die könnten wir freilich nicht mitnehmen.“
„Ich wiederhole es: Ihr
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