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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hervorbringen werde, das wußte ich. Es blieb gewiß kein Kind, welches laufen gelernt hatte, im Zelt sitzen, und jeder, der ein Pferd zu besteigen vermochte, kam mir sicher und gewiß entgegengeritten.
    Als ich den Brief wiederholt mit wahrem Genuß durchgelesen hatte, schwang ich mich wieder in den Sattel und folgte der Spur des so schnell zum Glauben gebrachten ungläubigen Ateïbeh. Sie führte grad südwärts, den Höhen des Dschebel Chonuka entgegen.
    Ich sagte mir, daß ich nicht sehr weit entfernt vom Lager der Haddedihn sein könne. Die ganze weite Steppe bildete ein einziges, ununterbrochenes Meer der ersten Frühlingsblüten; mein Pferd war bis herauf zu mir vom Blütenstaub gefärbt, was bei dem Gaul des Boten nicht der Fall gewesen war. Hieraus durfte ich mit Sicherheit schließen, daß dieser Mann, als er mich traf, keinen weiten Weg zurückgelegt hatte; er war so glücklich gewesen, gleich im Anfang seines Ritts nach Mossul dem Adressaten des ihm anvertrauten Briefs zu begegnen.
    Es war kaum eine Viertelstunde vergangen, so sah ich, daß ich mit dieser Voraussetzung das Richtige getroffen hatte: Es erschienen zunächst zwei Reiter, welche mir im fliegenden Galopp entgegenkamen. Der eine ritt einen Rappen und der andere einen Schimmel. Noch ehe ich ihre Gesichter erkennen konnte, wußte ich, wer sie waren, nämlich Hadschi Halef Omar auf der weißen, unvergleichlichen Stute, welche einst Mohammed Emin und dann seinem Sohne Amad el Ghandur gehört hatte, und Kara Ben Halef auf dem Rapphengste Assil Ben Rih, dem Nachkommen meines unvergeßlichen Rih. Eine Strecke hinter diesen beiden ritt jemand eine Schecke. Das war Omar Ben Sadek auf dem einst von mir erbeuteten Aladschypferd. Und noch weiter zurück kam eine ganze, große und breite Wolke von Reitern, von denen jeder bemüht war, die andern auszustechen.
    Halef und sein Sohn hatten die besten Pferde; sie erreichten mich zuerst. Ich war abgestiegen, um sie stehend zu empfangen. Fast noch im Jagen, sprangen sie ab. Halef stürzte mit ausgebreiteten Armen auf mich zu.
    „Sihdi (Herr), Sihdi, mein guter, lieber Sihdi“, rief er; „meine Wonne findet keine Stimme und mein Entzücken keine Worte! Erlaß mir die Rede; ich kann vor Freude nicht sprechen!“
    Er schlang die Arme um mich, legte den Kopf an meine Brust und weinte laut. Ich küßte ihn auf die Stirn, die Wangen und den Mund und sagte:
    „Und in mir schweigt die Stimme der Sehnsucht, welche mich zu dir getrieben hat; sie hat Erhörung gefunden, und ich preise Allah, der mir dieses frohe Wiedersehen spendet.“
    Da drückte er die Arme noch fester um mich, ließ mich dann rasch los, wendete sich zu seinem Knaben um und sagte:
    „Hast du es gesehen, mein Sohn? Mein Sihdi, mein Effendi hat mich geküßt! Kara Ben Nemsi, den wir verehren und den ich anbete, hat mich viermal geküßt! Das ist mehr, tausendmal mehr, als meine Freundschaft und Liebe zu ihm sich jemals hatte erbitten dürfen. Vergiß es nie in deinem Leben, daß seine Lippen das Angesicht deines Vaters berührten! Es ist dies auch für dich ein Ruhm, den keine andere Ehrung erreichen kann!“
    Er zog den Sohn zu mir heran, daß er mir die Hand reichen solle; ich bückte mich aber zu dem Knaben nieder, küßte ihn auch auf die Stirn und sagte:
    „Du bist der Sohn meines Freundes Halef, nach seinem und meinem Namen Kara Ben Halef genannt; denke, daß auch ich dich wie ein Vater liebe. Ich wünsche, daß du einst als Mann ihm gleichen mögest!“
    Da reckte sich mein kleiner Hadschi Halef stolz in die Höhe und rief, die Freudentränen noch immer in den Augen:
    „Hast du die Worte des größten Helden, den ich kenne, wohl vernommen? Ein Mann sollst du werden, wie ich, dein Vater, einer bin! Wir haben den Löwen getötet und den schwarzen Panther bezwungen; wir sind stets siegreich gewesen und haben niemals einem Feind den Rücken gezeigt. In deinen Adern rinnt mein Blut, und hinter deiner Stirn wohnen die Vorzüge meines Geistes. Allah gebe, daß du durch deine Taten einst die Berühmtheit deines tapfern Vaters erreichst!“
    Richtig! So war er! Gleich im ersten Augenblick des Wiedersehens war es ihm nicht möglich, seiner Gewohnheit, dicke Farbe aufzutragen, zu widerstehen. Das war ihm, ohne verwerfliche Prahlsucht zu sein, zur zweiten Natur geworden. Er brachte, ohne eigentlich zu wollen, es fertig, selbst in einer Szene tiefster Rührung und Ergriffenheit durch seine unbefangene und harmlose Ruhmredigkeit dem Ernst einen heitern

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