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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Bring Deine berühmten Gewehre mit, und komm sobald wie möglich! Gruß, Achtung, Liebe, Verehrung und Ermahnung von Deinem Freund und Beschützer
    Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas
Ibn Hadschi Dawud al Gossarah.“
    Mein Schreiben, auf welches diese Antwort erfolgte, hatte monatelang in Mossul gelegen, ehe es abgeholt worden war, und während Halef dann sechs volle Monate gebraucht hatte, um im Schweiße seines Angesichtes den obigen Brief zu Ende zu bringen, war ich schon am Tigris angekommen. Nachdem ich mich lange vergeblich erkundigt hatte, erfuhr ich endlich, daß die Haddedihn jetzt in der Nähe des Dschebel Chonuka zu suchen seien, und machte mich dorthin auf den Weg. Das war kein ganz ungefährliches Unternehmen, weil ich grad in dieser Richtung den Feinden des genannten Stammes begegnen konnte und, wenn sie mich erkannten, darauf gefaßt sein durfte, mein Leben gegen sie verteidigen zu müssen. Ich war ganz allein, und das Pferd, welches ich ritt, taugte nicht viel; ich hatte kein teures gekauft, weil ich wußte, daß Halef eine Ehre darin suchen werde, mich gut beritten zu machen.
    Das Glück war mir günstig; es begegnete mir kein einziger Mensch, bis ich die Höhen des Chonuka im Süden vor mir liegen hatte. Da sah ich einen Reiter kommen, welcher, als er mich erblickte, sein Pferd anhielt und mißtrauisch nach der Flinte griff. Ich zeigte mehr Vertrauen als er, ritt auf ihn zu und grüßte, als ich ihn erreichte, mit einem freundlichen Sallam aaleïkum. Er zögerte, zu antworten, musterte mich mit finsterem Blick und fragte dann, ohne meinen Gruß zu erwidern:
    „Du bist ein Türke, ein Bote des Pascha von Mossul?“
    „Nein“, antwortete ich.
    „Leugne es nicht! Ich sehe es dir an. Dein Gesicht hat die helle Farbe der Städtebewohner!“
    Ich war allerdings zu kurze Zeit unterwegs, um von der Sonne gebräunt zu sein, und wußte gar wohl, wie unbeliebt die Beamten des Pascha bei den Beduinen sind, welche die Berechtigung der Regierung Steuern zu fordern, nie anerkennen wollen. Darum sagte ich:
    „Was geht mich der Pascha an! Ich bin ein freier Mann und nicht sein Untertan.“
    „Wie kann ein Türke sich einen freien Mann nennen!“ meinte er verächtlich. „Nur der Bedawi (Beduine) ist frei.“
    „Ich bin kein Türke.“
    „Was denn? Ein Kurde bist du auch nicht; das sehe ich. Welchem Volk könntest du also angehören?“
    „Ich bin ein Franke.“
    „Ein Franke?“ lachte er höhnisch. „Welch eine Lüge! Kein Franke wird sich so allein wie du in diese Gegend wagen.“
    „Glaubst du, daß nur die Beduinen Mut besitzen?“
    „Ja.“
    „Und dennoch hieltest du an, als du mich erblicktest? Ich aber ritt getrost auf dich zu! Wer war es also, welcher Mut besaß?“
    „Schweig! Einem einzelnen Menschen zu begegnen, dazu ist kein Mut erforderlich. Ich will wissen, welchem Volk oder Stamm du angehörst!“
    Das klang beinahe drohend, und er spielte dabei mit dem Hahn seiner Flinte. Sein Gesicht war mir unbekannt; er konnte also kein Haddedihn sein; darum hütete ich mich, ihm zu sagen, wer ich war, sondern entgegnete in ganz demselben Tone:
    „Wer von uns beiden hat das Recht, den andern auszufragen? Wer ist der Höhere, ich oder du?“
    „Ich!“
    „Warum?“
    „Die Herden meines Stammes weiden hier.“
    „Welches Stammes?“
    „Der Haddedihn.“
    „Du bist kein Haddedihn!“
    „Wie kannst du das behaupten!“ fuhr er mich an.
    „Wärst du ein Haddedihn, so müßte ich dich kennen.“
    „Kennst du alle Personen dieses Stammes?“ fragte er erstaunt.
    „Wenigstens die von deinem Alter.“
    „Allah! Bist du ein Freund oder Feind von ihnen?“
    „Ein Freund.“
    „Beweise es!“
    Da lachte ich ihm ins Gesicht und sagte:
    „Höre, wenn es hier etwas zu beweisen gibt, so ist es nur das, daß du ein Haddedihn bist.“
    Da zog er den Hahn auf und rief zornig:
    „Willst du mich beleidigen, so gebe ich dir eine Kugel! Ich bin jetzt ein Haddedihn und gehörte vorher zu dem berühmten Stamme der Ateïbeh!“
    „Das ist etwas anderes, aber ich habe dennoch recht gehabt. Kanntest du den Scheik Malek der Ateïbeh?“
    „Ja. Er ist tot.“
    „Das stimmt. Er war der Großvater von Hanneh, welche das Weib meines Freundes Hadschi Halef ist.“
    „Deines – Freundes –?“ fragte er zweifelnd.
    „Ja, denn ich bin Kara Ben Nemsi Effendi, und du wirst von mir gehört haben.“
    Ich sah auf seinem Gesichte erst den Ausdruck des Erstaunens, dann wieder des Zweifels und schließlich

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