20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
Himmels und der Erde sei, der nichts widerstehen könne. Das waren deine Worte gewesen. Aber deine Taten wirkten noch mächtiger als deine Worte. Du hast selbst deine ärgsten Feinde so oft und so lange geschont, wie es nur möglich war. Du hast lieber durch Milde oder List zu erreichen gesucht, was du durch Strenge oder Kampf viel leichter und schneller hättest erreichen können. Du hast dein Leben zehnmal gewagt, um dasjenige eines Feindes zu schonen. Diese deine Taten haben noch lauter als deine Worte zum Herzen meiner Hanneh gesprochen, welcher der Preis unter allen Töchtern und Müttern der Erde gebührt. Als du längst, längst von uns gegangen warst, hat sie still in ihrem Zelt gesessen und durch die Wand desselben andächtig zugehört, wenn von dir erzählt wurde. Sie hat dich zu ihrem Chajali (Vorbild, Ideal) erwählt und nicht geduldet, daß mein Säbel aus der Scheide fahre. Du weißt, daß wir beide, du und ich, damals die Feinde der Haddedihn besiegten und für lange Zeit unfähig machten, sich wieder zu erheben. Als ich Scheik wurde, vereinigten sie sich zu einer Erhebung gegen uns. Ich wollte sie mit der Schärfe des Schwertes niederschlagen; aber Hanneh, welcher unter den Frauen der Vorrang zukommt, den der Diamant unter den Edelsteinen besitzt, sagte, du würdest an meiner Stelle anstatt der Gewalt die Klugheit wählen. Sie gab mir den Rat, die Feinde untereinander zu entzweien; Sie sagte mir auch, in welcher Weise mir dies sehr leicht gelingen werde, und so habe ich den Kampf vermieden und dennoch unsere Macht verdoppelt.“
„Hm!“ summte ich lächelnd vor mich hin. „Meinst du, lieber Halef, daß Hanneh mit diesem Rat das Richtige getroffen hat?“
„Hm!“ summte auch er, aber nicht lächelnd, sondern nachdenklich. „Darf ich dir etwas anvertrauen?“
„Alles, was du willst!“
„Aber du darfst es keinem Menschen sagen!“
„Du weißt, daß ich nicht plauderhaft bin!“
„Das weiß ich sehr genau; also höre mein Geheimnis an, und behalte es tief in deinem Herzen verborgen!“
Er näherte seinen Mund meinem Ohr und fuhr flüsternd fort:
„Hanneh ist nämlich nicht nur die lieblichste unter den Haremsblumen, sondern auch außerordentlich klug. Sihdi, ich sage dir: sie hat immer recht!“
Fast hätte ich über die stolze Überzeugung, mit welcher er dies sagte, laut aufgelacht. Also mein tapfrer Halef stand unter dem Pantoffel! Nicht er, sondern seine ‚lieblichste der Blumen‘ war Scheik der Haddedihn! Aber das konnte mich nur freuen, und es fiel mir gar nicht ein, ihn darum weniger zu achten. Es ist jeder heiß- oder schnellblütig angelegte Mann nur glücklich zu preisen, wenn er eine bedachtsame Frau besitzt, welche es versteht, ihn in freundlicher, aber ja nicht herrischer Weise vor Unbedachtsamkeiten zu bewahren. Und doppelt glücklich zu preisen ist er, wenn er trotz seines Temperaments so einsichtig ist, sich von ihr raten, mahnen und lenken zu lassen! Es geht ihm dadurch kein einziges Atom von seiner Manneswürde verloren. Ich habe nicht wenige Ehen kennengelernt, deren Glück nur dieser liebevollen, vorsichtigen Führung der Frau zu verdanken war. Das sind Perlen, deren Wert gar nicht hoch genug geschätzt werden kann!
Halef war mir stets ein unendlich treuer, aufopfernder und in gewöhnlichen Lagen höchst zuverlässiger Diener und Begleiter gewesen; sein Mut und seine Tapferkeit hatten nie versagt, und er hätte, um mich zu retten, gewiß jederzeit sein Leben auf das Spiel gesetzt; aber grad in Gefahren war seiner Zuverlässigkeit nicht immer ganz zu trauen gewesen; da ging seine Furchtlosigkeit zuweilen mit ihm durch, und er hatte mich dadurch, daß er über seine Instruktionen hinaus handelte, oft in sehr unangenehme Lagen gebracht. Darum freute ich mich jetzt herzlich, als ich von ihm hörte, daß seine Hanneh eine der vorsichtigen Frauen war, von denen es ihm Liede vom Sanguinikus heißt:
„Und will er in die Lüfte allzu munter,
So zieht sie ihn am Frackschoß wieder runter.“
Ich nickte ihm freundlich zu und fragte:
„Wenn sie immer recht hat, so hast du wohl immer unrecht?“
„O nein! Wie kannst du dieses von mir denken, Effendi! Wie kann dein Halef einmal unrecht haben! Ich bin ja immer mit ihr einverstanden! Also habe ich stets ebenso recht wie sie!“
„Das ist sehr klug von dir, mein lieber Halef! Ein Mann, welcher gern den vernünftigen Ratschlägen seines Weibes folgt, gleicht einem Moslem, der stets nach dem Koran handelt.“
„Wie
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