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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Verachtung.
    „Mensch, lüge nicht!“ antwortete er. „Wenn du denkst, daß ich dir das glauben werde, hast du keine Spur von Hirn im Kopf. Du hättest das Geschick, dieser Kara Ben Nemsi zu sein!“
    „Ich bin es!“
    „Wenn du es bist, so ist es auch möglich, el Aßsur (Den Spatzen) für el Nisr (Den Adler) zu halten!“
    „Kennst du Kara Ben Nemsi?“
    „Nein, denn ich bin erst seit einem Jahre bei den Haddedihn; aber ich habe so viel von ihm gehört, daß ich ihn gar nicht gesehen zu haben brauche, um zu wissen, daß du ein Lügner bist. Dieser kühne Sohn der Almani (Deutschen) ist der einzige Franke, welcher sich ganz allein in diese Gegend wagen würde; darum kannst du kein Franke, sondern mußt ein Diener des Pascha sein!“
    „Maschallah! Deine Gedanken sind wirklich wunderbar! Grad weil ich allein hier bin, muß ich Kara Ben Nemsi sein; das ist die einzige richtige Folge der Behauptung, welche du ausgesprochen hast.“
    „Du scheinst zu wünschen, daß ich dich verlache. Ich kann beweisen, daß du nicht der bist, für den du dich ausgibst.“
    „Wirklich?“
    „Zweifelst du etwa?“
    „Ja.“
    „So höre, und schäme dich dann! Ich habe einen Brief nach Mossul zu bringen, welcher nach dem Bilad el Alman (Deutschland) zu Kara Ben Nemsi gehen soll. Kann er hier sein, wenn er einen Brief in seinem Vaterland zu empfangen hat?“
    „Warum nicht? Du zweifeltest vorhin an meinem Gehirn; jetzt möchte ich behaupten, daß du es bist, der keines besitzt. Ich habe vor neun Monaten an Hadschi Halef Omar, den Scheik der Haddedihn, geschrieben, daß ich nach Persien gehe und ihn dabei besuchen will. Muß ich da dieser Reise etwa warten, bis er mir vielleicht erst nach Jahren eine Antwort schickt? Ich bin eher da, als er erwartet hat; das ist die Sache. Übrigens habe ich ihm Umschläge für die Briefe gegeben, welche er mir schreibt. Wenn du einen bei dir hast, so muß er folgendermaßen aussehen.“
    Ich zog mein Notizbuch aus der Tasche, schrieb meine Adresse genauso, wie ich sie Halef gegeben hatte, auf ein Blatt und zeigte ihm dieses hin. Er griff in den Gürtelshawl, brachte den Brief hervor, verglich beides lange und sorgfältig miteinander und rief dann aus:
    „Allah Akbar! Ich kenne diese Schrift und diese Worte nicht, aber die Zeichen sind genau dieselben. Solltest du wirklich der Emir Kara Ben Nemsi Effendi sein? Dann hast du zwei Gewehre, ein großes und ein kleines, von denen jedermann weiß, daß sie – – –“
    Er hielt mitten in seiner Rede inne, denn ich hatte die Gewehre, vom Rücken, wo sie hingen, genommen und zeigte sie ihm hin. Jetzt war es höchst interessant, das Gesicht zu sehen, welches er machte. Leider hatte ich diesen Genuß nur einige kurze Augenblicke, denn er schob mir seinen Brief und mein Notizbuch eiligst in die Hand und schrie:
    „Ia Suruhr, ia Suruhr; Hamdullillah – oh Freude, oh Freude; Allah sei gepriesen! Kara Ben Nemsi ist da; Kara Ben Nemsi ist da! Ich muß augenblicklich zurück, es zu verkünden!“
    Er wendete sein Pferd, schlug ihm die Fersen in die Weichen und jagte fort, in der Richtung zurück, aus welcher er gekommen war. Die beiden Gewehre, den Brief und das Notizbuch in den Händen, lachte ich hinter ihm her. Dieser Mann hatte eine ganz eigentümliche Art, mich auf dem Weidegrund des Stammes, dem er jetzt angehörte, zu empfangen! Wie weit ich zu den Haddedihn von hier aus hatte, das wußte ich natürlich nicht; er hätte wenigstens das mir sagen können; doch war mir seine Fährte ein sicherer Wegweiser nach dem Ziel, und so stieg ich vom Pferd und setzte mich in das jetzt im Vorfrühjahr hohe Gras, um den Brief meines guten Hadschi Halef mit der ihm gebührenden Andacht zu genießen.
    Ich kannte den Stil des seltsamen kleinen Kerls und wußte, schon ehe ich das Schreiben öffnete, daß es eine Menge Ermahnungen enthalten werde, zu denen gar kein Grund vorhanden war. Und richtig, ich hatte mich nicht getäuscht! Ich soll meine Zelte flicken, die Laster fliehen, die Kamele nicht überfüttern, mich vor Sünde und Erkältung hüten, den Sattel nicht locker schnallen usw.!
    Das war so seine mir bekannte Art und Weise, mir seine Liebe zu erkennen zu geben; das konnte mich nicht im geringsten beleidigen, sondern mir nur Spaß bereiten. Vor drei Monaten hatte er geschrieben: „Wir erwarten dich schon morgen“, und trotz dieser langen Zeit war ich viel eher da, als er ahnen konnte. Welche Wirkung die Nachricht von meinem Kommen im Lager

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