20 Science Fiction Stories
über ihn. Ich sah, wie ihre Finger mit unendlicher Behutsamkeit sein Haar glätteten, aber Ketill Hjalmarson entging das auch nicht. »Gibt es in deinem Land keine Verse?« fragte er.
»Nicht so wie die euren«, antwortete er. »Wir singen anders als ihr. Ich wünschte, ich hätte meine Gitarre hier – das ist eine Art Harfe.«
»Aha, ein irischer Barde!« sagte Hjalmar Breitnase.
Ich erinnere mich komischerweise noch genau, wie Gerald lächelte und was er in seiner eigenen Sprache sagte, obgleich ich die Bedeutung nicht verstand: »Only on me mither’s side, begorra.« Ich nehme an, das war irgendeine Zauberei.
»Bitte, sing etwas für uns«, bat Thorgunna.
»Laß mich überlegen«, antwortete er. »Ich werde es in eure Sprache übersetzen müssen.« Nachdem er eine Weile in die stürmische Nacht gestarrt hatte, begann er zu singen.
Ich mochte die Melodie gern, ungefähr so:
Man sagt mir, daß du dieses Tal nun verläßt, ich werde deine leuchtenden Augen und dein süßes Lächeln vermissen.
Du wirst den Sonnenschein mit dir nehmen, der mein Leben hier so erhellt hat …
Mehr habe ich nicht behalten, außer, daß es nicht ganz anständig war.
Als er das Lied beendet hatte, gingen Hjalmar und Grim hinüber zum Feuer, um nach dem Fleisch zu sehen. In den Augen meiner Tochter standen Tränen. »Das war wunderschön«, sagte sie.
Ketill saß steif aufgerichtet da. Die Flammen erhellten sein Gesicht und verliehen ihm einen noch wilderen Ausdruck als sonst. Seine Stimme klang rauh: »Ja, jetzt wissen wir, was dieser Bursche kann: herumsitzen und hübsche Gesänge für die Mädchen machen. Halte ihn dir dafür, Ospak.«
Thorgunna wurde leichenblaß, und Helgis Hand fuhr zum Schwert. Geralds Gesicht verfinsterte sich, seine Zunge war belegt: »Das ist keine Art, mit mir zu reden. Nimm’s zurück!«
Ketill stand auf. »Nein«, sagte er. »Bei einem Faulpelz, der auf Kosten eines ehrlichen Landbesitzers lebt, entschuldige ich mich nicht.«
Er kochte vor Wut, aber er war noch vernünftig genug, die Beleidigung von meiner Familie auf Gerald allein zu legen. Andernfalls hätten sein Vater und er mit uns vier fertigwerden müssen. Mit geballten Fäusten stand Gerald auf und sagte: »Willst du beiseite kommen und das mit mir austragen?«
»Gern!« Ketill drehte sich um und ging ein paar Schritte am Strand entlang, nachdem er seinen Schild aus dem Boot geholt hatte. Gerald folgte ihm. Thorgunna ergriff mit bleichem Gesicht seine Axt.
»Willst du ohne Waffen gehen?« rief sie mit Angst in der Stimme.
Gerald blieb stehen und blickte sie verwundert an. »Das will ich nicht«, murmelte er. »Fäuste –«
Ketill stellte sich auf und zog das Schwert. »Zweifellos kämpft man in deinem Land wie die Sklaven miteinander«, spottete er. »Wenn du mich also um Entschuldigung bittest, werde ich die Sache auf sich beruhenlassen.«
Mit hängenden Schultern blieb Gerald stehen. Er starrte auf Thorgunna, als wäre er blind, als wolle er sie fragen, was er tun solle. Sie reichte ihm die Axt.
»Du willst also, daß ich ihn töte?« flüsterte er.
»Ja«, antwortete sie.
Da wußte ich, daß sie ihn liebte.
Helgi brachte ihm seinen Helm. Er setzte ihn auf, nahm die Axt und trat vor.
»Das ist eine böse Angelegenheit«, sagte Hjalmar zu mir. »Stehst du auf der Seite des Fremden, Ospak?«
»Nein«, antwortete ich. »Er ist kein Verwandter oder Blutsbruder von mir. Dieser Streit geht mich nichts an.«
»Das ist gut so«, sagte Hjalmar.
»Ich würde nicht gern mit dir kämpfen, mein Freund. Du warst mir immer ein guter Nachbar.«
Es war kein richtiger Kampf mit Regeln und festgesetzten Schlägen und Sieg beim ersten Blutstropfen. Bei den beiden ging es um Leben und Tod. Ketill stürmte mit dem gezückten Schwert vor. Gerald sprang zurück und schwang die Axt unbeholfen in der Luft. Sie prallte an Ketills Schild ab. Der Jüngling grinste und streifte mit seiner Waffe Geralds Bein. Blut sickerte durch die Hose.
Von Anfang an war es Mord. Gerald hatte nie zuvor eine Axt benutzt. Einmal schlug er sogar mit der flachen Seite. Er wäre schon beim ersten Stoß niedergestreckt worden, wenn Ketills Schwert nicht durch einen Stoß gegen seinen Helm stumpf geworden wäre. So, wie es jetzt stand, blutete er aus einem guten Dutzend Wunden.
»Hört auf!« schrie Thorgunna und rannte auf sie zu. Helgi hielt sie am Arm fest und zwang sie zum Stehen; sie wehrte sich so heftig, daß Grim ihm zu Hilfe eilen mußte. Auf dem Gesicht meines
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