20 Science Fiction Stories
dachten sie genau das gleiche.
»Unser Fehler war«, sagte Kommissar Eisenstein und wälzte seine zweihundert Pfund im Sessel hin und her, »daß wir den Mars als einen Planeten betrachtet haben, und nicht als eine Welt.«
Der ernste junge Mann ihm gegenüber nickte verstehend.
Der Kommissar legte die Fingerkuppen aneinander. »Ich weiß nicht, wie das geschehen konnte. Das Ergebnis zu großer Vereinfachung wahrscheinlich. Aber wir hielten den Mars immer für homogen: eine große sandige, von Kanälen durchzogene Wüste, ein einheitlicher Typ von homo sapiens. Es ist genauso, als würden wir uns unsere Welt nur als New-England vorstellen und die Bewohner nur als Yankees. Eine Vorstellung«, fügte er mit einem Seufzer hinzu, »der wir nur allzu oft begegnen.«
Er ergriff sein Glas, schüttelte es ein wenig und trank dann davon. Trotz des wachen Gesichtsausdrucks des andern bemerkte der Kommissar, daß dessen Gedanken ganz woanders waren. Komischer Mensch, dachte Eisenstein. Das Weltbüro für Marsangelegenheiten hatte sich in seinen Entscheidungen immer als recht geschickt erwiesen; seltsamerweise gingen die Dinge dort trotz der bürokratischen Hindernisse ganz gut voran. Als Beweis dafür nahm Eisenstein seine Berufung für diesen Posten an – er kam von einem relativ ruhigen Dienst als Professor für Anthropologie –, der sich für beide Teile als äußerst günstig ausgewirkt hatte.
Eisenstein schüttelte den Kopf und folgte dem Blick des jungen Mannes. »Ach ja, stimmt«, bemerkte er trocken. »Ich habe Ihnen meine Sekretärin noch nicht vorgestellt. Kommen Sie herein, Lucy. Das ist Leonard Jackson. Herr Jackson, Lucy Ironsmith.«
Leonard stand auf, was jemand von seiner Größe lieber unterlassen sollte. Es folgte eine etwas peinliche Pause, während die Säuberungseinheit den kleinen Tisch geraderückte, das gebrochene Glas aufsammelte und mit ihrem Luftschlauch den Fußboden vor Leonard trocknete. Als sie sich wieder zurückgezogen hatte, stammelte Leonard: »Es tut mir furchtbar leid. Ich bin schon immer – ich meine, ich sollte mich mehr in acht nehmen. Ich habe nicht richtig aufgepaßt, meine ich.«
»Machen Sie sich nichts daraus«, brummte der Kommissar gutmütig. »Es ist sicher nicht Ihre Schuld gewesen.«
Lucy Ironsmith war es wert, angesehen zu werden. Sie hatte nicht die Schönheit eines Modells, aber sie war schlank und sehnig. Sie besaß die reine, blasse grüne Haut und das silberne Haar, das für die Marsbewohner aus den äquatorialen Zonen so typisch war; ihre ovalen karmesinroten Augen leuchteten.
Freundschaftlich klopfte sie dem Kommissar auf die Schulter und sagte mit einem hübsch klingenden Akzent in englischer Sprache: »Schon gut, Sam. Herr Jackson wird glauben, wir haben kein Benehmen hier.« Sie berührte zum Gruß Leonards Arm und ließ sich in einen Sessel fallen. »Vom Weltbüro?« fragte sie.
»Herr Jackson soll die Ökologie der Tundra studieren«, erklärte der Kommissar. »Im besonderen Hinblick auf Parasiten der Widgits.«
»Widgit-Kontrolle? Das klingt für mich so wie eine der Aufgaben über Var-am.«
»Was? Oh – natürlich. Wir haben da eine Sage. Herkules. Richtig. Für mich ist das eine faszinierende Sache«, fuhr er fort und griff nach dem neuen Glas, »wie sehr sich die Sagen und Mythen auf unseren beiden Welten gleichen! Am auffälligsten ist es dort, wo auch die gleichen Sitten und Gebräuche herrschen, ein Ergebnis gewisser Übereinstimmungen des Verhaltens gegenüber der Außen…. Aber entschuldigen Sie, bitte, Herr Jackson, es ist mir noch nicht gelungen, die Vergangenheit ganz abzuschütteln.«
»Macht nichts«, sagte Leonard. »Es interessiert mich wirklich sehr, vor allem möchte ich so viel wie möglich über den Mars erfahren. Ich wollte Fräulein Ironsmith sowieso fragen – übrigens, eh – ist Fräulein richtig? Ich meine, sind Sie verheiratet?«
Lucy errötete, und einen Augenblick lang preßten sich ihre Lippen aufeinander. Dann aber lachte sie. Der Kommissar schien entsetzt; er war von dem Stuhl hochgeschnellt, holte tief Luft und sagte: »Verzeihen Sie – Un Uam deolg. Bitte, entschuldigen Sie seine Ungezogenheit.« Und zu Leonard gewandt: »Sie müssen sich entschuldigen. Ihre Frage war nach unseren Begriffen nicht beleidigend gemeint, aber gemäß den Sitten hier zeugte sie von sehr schlechtem Benehmen. Das ist genauso, als fragten Sie eine wohlerzogene junge Dame aus Akron, Ohio, etwa, ob sie eine Prostituierte sei.«
»Oh, mein
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