20 Science Fiction Stories
Tundra. Wir kamen zu einem großen dunklen Felsblock, in einem Tal, ungefähr zwei oder drei Meilen entfernt – aber das ist nur eine grobe Schätzung.«
»Ich kenne den Felsen«, unterbrach Eisenstein. »Sie nennen ihn das Haus des Tykh.«
»Sie banden mich mit einer Lederleine fest, die einhundertzwölfmal verknotet wurde. Ich weiß das genau. Ich habe sie aufgeknüpft. Dann ließen sie mich allein.
Ich hatte Angst, wissen Sie. Ich war mir ziemlich sicher, daß die Widgits in kürzester Zeit erscheinen würden. Die Temperatur muß bei Null Grad gewesen sein, aber ich schwitzte aus allen Poren. Trotzdem mußte ich an so viele Dinge denken. Ich dachte zum Beispiel darüber nach, wofür die Widgits eigentlich da waren. Verstehen Sie? Sie können nicht einfach nur so existieren, sie müssen einen Platz in der Ökologie dieses Gebiets einnehmen. Ich weiß nicht, was das ist, aber ich frage mich, ob es nicht vielleicht etwas mit der Übertragung von Pollen dieser buschartigen Bäume zu tun haben könnte. Denn es fiel mir ein, daß solche Zeremonien meist Dingen gelten, die für den Menschen auf irgendeine Weise nützlich sind.«
Eisenstein schnappte mit den Fingern. »Natürlich! ›Die Bäume werden sterben.‹ Einer der Häuptlinge sagte das.«
»Hm. Das sollte man einmal untersuchen.«
»Gut. Weiter!«
»Na ja, die Widgits kamen innerhalb von fünf Minuten. Zuerst war es schlimm – sehr schlimm sogar.« Er zog eine Grimasse und schüttelte den Kopf. »Ich kann verstehen, daß sie die Männer zum Wahnsinn trieben. Ich habe noch nie etwas Ähnliches erlebt, und dabei kenne ich die übelsten Dinge wie Moskitos, schwarze Fliegen, Stechmücken, Bremsen, alles, was man sich nur denken kann. Aber die Widgits sind schlimmer. Sie krabbelten über meinen ganzen Körper; ich atmete sie ein, schluckte sie, hatte sie in den Ohren, zwischen den Haaren, im Kragen. Und dieses Summen, schrecklicher als die Moskitos, schrecklicher als das Surren eines Hornissenschwarms. Es ist ein hoher, sich steigernder Ton: einfach unbeschreiblich.«
»Schon gut. Dann beschreiben Sie ihn nicht«, sagte Eisenstein ungeduldig. »Erzählen Sie weiter.«
»Ja, und sie beißen auch, wissen Sie, und die Bisse jucken unerträglich. Aber zugleich – es ist schwer zu erklären –, ich weiß nicht, ob Sie wissen, daß ich ziemlich neugierig bin.«
»Das ist mir inzwischen klargeworden«, brummte Eisenstein.
»So? Also, ich fand mich mehr oder weniger damit ab, daß ich wahnsinnig werden und sterben müßte. Und so wollte ich mir die Tatsache, daß ich mich inmitten von Widgits befand, zunutze machen. Ich begann, sie aus der Nähe zu betrachten, um zu sehen, wie sie ihre Rüssel gebrauchten, wie sie sich bewegten, wie sie ihre Größe veränderten. Und wissen Sie – eh – wie soll ich es erklären –«
Er kratzte sich das Kinn und lachte verlegen. »Sie sind niedlich.«
»Wie bitte?« fuhr Eisenstein auf.
»Niedlich?« sagte Lucy erstaunt.
»Ja. Sie haben so eine Art, die Köpfe aneinanderzureihen, als verneigten sie sich. Und sie sehen einen aus diesen runden, traurigen Augen an wie betrunkene Eulen. Ich weiß nicht, wie Sie darüber denken, aber ich mochte Eulen immer sehr gern. Ich finde sie komisch und weise und eingebildet und dumm – alles auf einmal. Und diese Wesen sahen wie winzige Eulen aus.
Es ist seltsam, aber sobald ich das fühlte, waren die Widgits verschwunden. Die ganze Wolke schwebte über dem Felsen davon.
Das machte mich stutzig. Dann begann ich nachzudenken. Angenommen, die Widgits reagieren auf ein bestimmtes Geräusch, auf einen Geruch oder vielleicht auf eine telepathische Ausstrahlung, einen Wechsel der Körpertemperatur – ich weiß nicht worauf. Angenommen, es zeigt ihnen ihre Opfer – oder ihre Feinde. Wenn man sie mag und ihnen wohlgesinnt ist, ist man ein Freund, und sie verschwinden. Haßt man sie und versucht sie zu meiden, sehen sie einen als ihre Beute an. Das wäre durch den Satz, den mir der eine Häuptling sagte, erklärt: ›Liebe auch die, die dich schlagen.‹ Das ergibt doch einen Sinn, oder? Und es erklärt auch, warum die Leute, die Widgits sammeln wollten, nie genügend fanden, und selbst die paar, die sie kriegten, in der Gefangenschaft starben – sie waren von unangenehmen Gerüchen oder Gedanken umgeben und konnten ihnen nicht entfliehen.«
Eisenstein rieb sich das Gesicht. »Dann meinen Sie also, die Immunität der Asa käme einfach daher, weil sie diese Tierchen mögen?«
»Ich bin
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