20 Science Fiction Stories
lang glaubte Dee, sein Sohn sei gerührt. Seine Lippen hatten sich leicht geöffnet, und seine Augen strahlten verdächtig. Aber dann blickte er auf seine Buchführungsbücher, seinen kleinen Abakus, seine Spielzeug-Rechenmaschine.
»Ich werde ein Kontorist«, sagte er.
»Das werden wir ja sehen!« schrie Herr Dee aufgebracht. »Du wirst kein Kontorist werden, junger Mann. Du wirst ein Hexenmeister werden. Das war gut genug für deine ganze Familie, und es wird auch, bei allem, was verdämmenswert ist, für dich gut genug sein. Das letzte Wort in dieser Sadie ist noch nicht gesprochen, junger Mann.« Und er stürzte davon.
Sofort widmete sich Morton wieder seiner Buchführung.
Schweigend saßen Herr und Frau Dee nebeneinander auf dem Sofa.
Frau Dee knüpfte an einem Luftseil, aber ihre Gedanken waren nicht bei der Arbeit. Herr Dee starrte verdrossen auf einen verschlissenen Fleck auf dem Wohnzimmerteppich.
Endlich sagte Dee: »Ich habe ihn verzogen. Boarbas ist die einzige Lösung.«
»O nein«, erwiderte Frau Dee hastig. »Er ist noch so jung.«
»Willst du, daß dein Sohn ein Kontorist wird?« fragte Herr Dee verbittert. »Willst du, daß er sein Leben lang Zahlen schmiert, anstatt die wichtige Arbeit des Schwarzen zu verrichten?«
»Natürlich nicht«, gestand Frau Dee. »Aber Boarbas –«
»Ich weiß. Ich komme mir selbst schon wie ein Mörder vor.«
Eine Zeitlang dachten sie beide nach. Dann sagte Frau Dee: »Vielleicht kann sein Großvater etwas tun. Er mochte den Jungen immer sehr gern.«
»Vielleicht hast du recht«, antwortete Herr Dee nachdenklich. »Aber ich weiß nicht, ob wir ihn stören sollten. Schließlich ist der alte Herr nun schon seit drei Jahren tot.«
»Ich weiß.« Frau Dee entwirrte einen falschen Knoten in ihrem Luftseil. »Aber entweder er oder Boarbas.«
Herr Dee stimmte ihr zu. Wie störend es auch für Mortons Großvater sein mochte, Boarbas war unendlich viel schlimmer. Sofort traf Dee die Vorbereitungen, seinen toten Vater heraufzubeschwören.
Er holte das Bilsenkraut hervor, das Einhorn-Horn, den Schierling und ein Stückchen Drachenzahn. Das alles legte er auf den Teppich.
»Wo ist mein Zauberstab?« fragte er seine Frau.
»Ich habe ihn zu deinen Golfschlägern gelegt«, antwortete sie ihm nach kurzem Nachdenken.
Herr Dee holte seinen Zauberstab und schwenkte ihn über den Zutaten. Er murmelte die drei Worte des Losbindens und rief seines Vaters Namen.
Augenblicklich stieg vom Teppich leichter Rauch auf.
»Hallo, Großvater Dee«, sagte Frau Dee.
»Vater, es tut mir leid, dich zu stören«, sagte Herr Dee. »Aber mein Sohn – dein Enkel – weigert sich, ein Hexenmeister zu werden. Er will ein – Kontorist werden.«
Die Rauchfahne erzitterte, glättete sich dann wieder und beschrieb ein Schriftzeichen der Alten Sprache.
»Ja«, sagte Herr Dee. »Überzeugung haben wir schon probiert. Der Junge ist steinhart.«
Wieder zitterte der Rauch und formte dann ein anderes Zeichen.
»Schätze, das wird das Beste sein«, sagte Herr Dee. »Wenn du ihn bis ins Innerste erschreckst, wird er seinen Kontoristen-Unfug ein für allemal vergessen. Es ist vielleicht grausam – aber immerhin nicht so schlimm wie Boarbas.«
Die Rauchfahne nickte und strömte auf das Zimmer des Jungen zu.
Herr und Frau Dee setzten sich auf das Sofa.
Mortons Zimmertür sprang auf, als schlüge ein kräftiger Wind dagegen. Morton blickte auf, runzelte die Stirn und widmete sich wieder seinen Büchern.
Die Rauchfahne verwandelte sich in einen geflügelten Löwen mit einer Haifischflosse. Er brüllte gräßlich, duckte sich, knurrte und setzte zum Sprung an.
Morton warf ihm einen kurzen Blick zu, hob die Augenbrauen und fuhr fort, eine Zahlenreihe zu notieren.
Der Löwe verwandelte sich in eine dreiköpfige Eidechse, deren Flanken schrecklich nach Blut rochen.
Feuerspeiend näherte sie sich dem Jungen.
Morton zählte die Zahlenreihe fertig zusammen, überprüfte das Ergebnis an seinem Abakus und sah die Eidechse an.
Mit einem Schrei verwandelte sich die Eidechse in eine ungeheure, kreischende Fledermaus und flatterte um den Kopf des Jungen.
Morton grinste und wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Büchern zu.
Herr Dee konnte es nicht länger ertragen. »Verdammt«, schimpfte er, »hast du denn keine Angst?«
»Warum sollte ich?« fragte Morton. »Es ist doch nur Großvater.«
Bei diesen Worten löste sich die Fledermaus in eine Rauchfahne auf.
Traurig nickte sie Herrn Dee zu,
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