20.000 Meilen unter den Meeren
Conseil. »Eine echte Sirene!«
Und das machte mir endlich klar, worum es sich handelte. Das Tier war eine Seejungfer, ein Dugong, wie es der Malaie nennt.
»Dugong!«, sagte ich.
»Gattung Seekühe, Familie Säugetiere, Ordnung Wirbeltiere, Klasse Chordatiere«, sagte Conseil.
»Das hab ich noch nie harpuniert!«, seufzte der Kanadier sehnsüchtig.
»Wollen Sie?«, fragte der Kapitän, der hinter uns getreten war und die letzten Worte von Ned Land gehört haben musste.
»Allerdings, Kapitän!«
»Aber seien Sie vorsichtig.«
»Warum, ist das Tier so gefährlich?«
»Das Tier selbst ist völlig harmlos. Aber es zeichnet sich durch eine starke Liebe zu seinen Angehörigen aus. Und oft geschieht es, dass man ein Tier harpuniert und sich damit den ganzen Schwarm auf den Hals lädt.«
»Schmeckt es eigentlich?«
»Vorzüglich. Sein Fleisch ist tatsächlich Fleisch, die Malaien jagen das Tier, um die Tafel ihrer Fürsten zu bereichern. Und natürlich wegen der Zähne, die angeblich manche Krankheiten zauberhaft heilen.«
Wenige Augenblicke später war das Boot startbereit. Sieben Matrosen aus der Mannschaft des Kapitäns begleiteten uns.
»Sie bleiben hier, Kapitän?«
»Ja. Waidmannsheil«, sagte er, fein differenzierend, da das zu erlegende Tier zu den Säugern gehörte.
Der Dugong befand sich zu diesem Zeitpunkt etwa 2 sm von der Nautilus entfernt, doch kamen wir rasch näher heran, da er an der Wasseroberfläche zu schlafen schien. Je mehr wir uns dem Tier näherten, desto vorsichtiger tauchten die Ruderblätter ins Wasser. Bald erkannten wir, dass der Gegner, den Ned Land sich ausgesucht hatte, fast 7 m lang war – eine gewaltige Masse Tier, die da auf dem Wasser trieb und schnarchende Atemgeräusche von sich gab. Nur ein paar Meter trennten uns noch von dem schwarzen Körper, da bog sich der Kanadier mächtig zurück, holte aus und schleuderte seine Harpune. Man hörte ein Zischen und der Dugong verschwand.
»Tausend Teufel!«, brüllte Ned Land. »Ich habe ihn verfehlt!«
»Nein«, sagte ich. »Schauen Sie nur das Wasser an, es ist rot. Ihre Harpune ist nur nicht stecken geblieben.«
Die Waffe des Kanadiers besaß nur eine kurze Leine, die am Ende an einer Tonne befestigt war. Diese Tonne trieb einige Ruderschläge vom Boot entfernt auf dem Wasser und wir holten die Harpune wieder ein.
Wir verfolgten das Tier jetzt mit dem Boot. Es kam öfter zum Atmen an die Oberfläche und schien durch die Wunde nicht im Mindesten entkräftet. Ned stand wurfbereit im Bug und fluchte ununterbrochen, aber es bot sich fast eine Stunde lang keine Gelegenheit, die Harpune loszuschleudern. Ich war schon davon überzeugt, dass wir aufgeben mussten, da wendete der Dugong plötzlich und ging uns an.
Das war sein Fehler.
»Aufpassen!«, schrie der Kanadier.
Der Mann am Steuer rief einige Worte in der unverständlichen Bordsprache.
Kurz vor dem Boot tauchte der Dugong und rammte uns mit voller Kraft. Wir bekamen bis zu den Knien Wasser ins Boot, schlugen aber nicht um. Ned umklammerte mit einer Hand den Vordersteven und stach mit der Harpune auf das Tier ein. Der Dugong bekam den Bootsrand in das breite Maul und hob unser Fahrzeug fast aus dem Wasser. Wir purzelten übereinander und ich wusste nicht, wie die Sache ausgegangen wäre, wenn der Kanadier nicht in diesem Augenblick der rabiaten Seejungfer das Herz durchbohrt hätte.
Das Tier verschwand, die Harpune mit ihm. Bald aber tauchte die kleine Tonne wieder an der Oberfläche auf, gefolgt vom Leib des toten Tieres. Wir nahmen es ins Schlepptau. Am Abend gab es Steaks aus seinem Fleisch, die der Schiffskoch sehr sachkundig zubereitet hatte. Mir schmeckten sie noch besser als Kalbfleisch.
Am 11. Februar gegen 17 Uhr passierten wir den Sinai. Je näher wir Sues kamen, desto geringer wurde der Salzgehalt des Roten Meeres. Man stellt sich den Berg Mosis immer von Blitzen umzuckt vor, er ist aber nichts weiter als ein hoher Berg am Ende einer Landzunge, die das Rote Meer in zwei Arme teilt. Eine Stunde später durcheilten wir die roten Wasser der Bucht von Et-Tur. Wir tauchten jetzt für einige Stunden, aber um 21.15 Uhr, als es dunkel war, kam die Nautilus wieder an die Oberfläche. Ich stieg zur Plattform hinauf und beobachtete. Schließlich entdeckte ich ein undeutlich schimmerndes Licht 1 sm vor uns.
»Ein schwimmender Leuchtturm«, sagte eine Stimme hinter mir im Dunkeln. »Wir sind gleich an der Mündung des Tunnels. Die Durchfahrt ist nicht ganz einfach,
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