20.000 Meilen unter den Meeren
Salons. Neben diesem Schrank stand ein eisenbeschlagener Koffer, dessen Deckel eine Kupferplatte mit dem Motto Mobilis in mobile trug. Ohne sich weiter um mich zu kümmern, öffnete Nemo den Schrank und ich sah, dass er mit Goldbarren gefüllt war. Woher kam dieses Vermögen? Was geschah damit? Er legte einen Goldbarren nach dem anderen in den Koffer neben dem Schrank, bis der voll war – meiner Schätzung nach mit 1000 kg Gold. Jetzt schrieb er in neugriechischer Schrift eine Adresse auf den Deckel und drückte anschließend einen Klingelknopf. Acht Männer erschienen und trugen den Koffer mit sichtlicher Mühe hinaus. Draußen hievten sie das schwere Stück mit Tauen die Leiter hinauf.
In diesem Augenblick wandte sich der Kapitän mir zu: »Was sagten Sie gerade?«
»Ich habe nichts gesagt.«
»Dann gute Nacht, mein Herr.«
Ich ging höchst unruhig in mein Zimmer, kleidete mich aus und versuchte vergeblich zu schlafen. An dem leichten Schwanken unseres Fahrzeugs merkte ich bald, dass die Nautilus an der Oberfläche schwamm. Jetzt tönten Schritte über die Plattform, ich hörte, wie das Boot losgemacht wurde, gegen die Schiffswand schlug und dann verschwand. Zwei Stunden später war es wieder da, wurde verschraubt, die Schritte dröhnten wieder über das Eisen, dann tauchte die Nautilus unter. Offenbar hatte das Gold seinen Empfänger erreicht.
»Woher nimmt er die Millionen?«, fragte Ned Land am anderen Morgen, als ich meinen Gefährten die Geschichte erzählt hatte.
Wir fanden keine Antwort auf diese Frage. Ich arbeitete bis 17 Uhr im Salon, ohne dass der Kapitän sich hatte blicken lassen. Aus irgendwelchen seltsamen Gründen war es nach und nach so heiß geworden, dass ich meine Jacke ausgezogen und das Hemd geöffnet hatte.
Ich begann, unruhig zu werden. Wir waren doch nicht in tropischen Breiten, außerdem fuhren wir, wie ich am Manometer ablesen konnte, 18 m tief. Ein Brand an Bord?
Gerade als ich hinausstürzen wollte, trat der Kapitän ein.
»42°!«, sagte er.
»Das kann man wohl sagen«, antwortete ich. »Und wenn es noch heißer wird, halte ich es nicht mehr aus.«
»Die Hitze steigt nur, wenn wir wollen.«
»Sie können sie ändern?«
»Nein, aber ich kann mich von der Hitzequelle entfernen. Wir fahren nämlich in siedendem Wasser.«
»Wie bitte?«
»Sehen Sie selbst!«
Er ließ die Fensterwände zurückgleiten und ich sah, dass das Wasser um die Nautilus herum ganz weiß schäumte. Durch die Wasserschichten wirbelten Schwefeldünste. Ich geriet mit einer Hand ans Fenster und verbrannte sie mir sofort.
»Wo sind wir denn?«
»In der Nähe der Insel Santorin. Ich wollte Ihnen mal zeigen, wie es aussieht, wenn ein Vulkan unter dem Wasser tätig ist.«
»Aber ich denke, die vulkanische Inselbildung ist längst abgeschlossen!?«
»In vulkanischen Gebieten ist niemals etwas abgeschlossen«, antwortete der Kapitän, »und die unterirdischen Feuer sind hier noch am Werk. Bereits 19 n. Chr. zeigte sich hier eine neue Insel, Theia, die dann später wieder versank. Im Jahr 69 war sie wieder da, versank dann wieder. Die vulkanische Tätigkeit schien erloschen. Bis zum 3. Februar 1866. Vor fast genau zwei Jahren also tauchte hier eine neue Insel auf, die Georgsinsel. Sie vereinigte sich drei Tage später mit Santorin. Sieben Tage später erschien das Inselchen Aphroessa, rund, schwarz, 30 m im Durchmesser, ganz aus glasartiger Lava bestehend, in die sich Felsspat mischte. Am 10. März tauchte dann Reka auf und lötete die Inselchen zu einer einzigen zusammen. Die ist auf meiner Karte auch eingezeichnet, denn ich lag während dieser Naturvorgänge hier und beobachtete sie.«
Ich trat wieder dicht ans Fenster. Das Weiß des Meeres vermischte sich mit rötlichen Stoffen – wahrscheinlich einem Eisensalz. Obwohl unser Salon hermetisch abgeschlossen war, entwickelte sich ein penetranter Schwefelgeruch und ich entdeckte draußen auch scharlachrote Flammen. Die Hitze wurde unerträglich, ich war über und über in Schweiß gebadet und glaubte, ich müsse ersticken.
»Ich glaube, man kann es in diesem siedenden Wasser nicht lange aushalten«, sagte ich schwach.
»Nein, sicher nicht«, sagte er phlegmatisch und ließ die Nautilus abdrehen. Am nächsten Tag, dem 16. Februar, setzten wir unsere Reise westwärts fort. Bereits am 18. bei Sonnenaufgang waren wir aus der Straße von Gibraltar heraus.
Warum so eilig? Und warum so klammheimlich? Hatte der Kapitän Angst, er könne gesehen werden, oder
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