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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nicht in Unkosten stürzen. Der Rächer der Unterdrückten hat den Schatz bereits gehoben.«

20. Kapitel
    Ich war am nächsten Morgen kaum aufgestanden, als auch schon Ned Land an meine Tür klopfte und hereintrat. Er sah mürrisch aus.
    »Also?!«, sagte er.
    »Tja, Meister, da haben wir Pech gehabt. Der Zufall wollte, dass wir …«
    »Der verdammte Kapitän hielt genau um 21 Uhr an, als wir abhauen wollten.«
    »Er besuchte seinen Bankier.«
    »Was?«
    »Oder besser: Er ging zur Bank, um etwas Geld abzuheben. Gold vielmehr.«
    Und ich erzählte dem Kanadier, was ich gestern Abend gesehen hatte. Allein die Nennung der Namen Kosciuszko, Botzaris, O’Connell, Washington, Manin, Lincoln und John Brown rührte ihn überhaupt nicht. Er ärgerte sich, dass er nicht auch einen kleinen Streifzug durch die Bai von Vigo hatte machen können. Und er war noch ebenso entschlossen wie zuvor sich so rasch wie möglich abzusetzen.
    »Und zwar heute Abend!«
    »Aber Sie wissen doch gar nicht, wo wir inzwischen sind!«
    Wir mussten bis zum Mittag warten, um das zu erfahren, als der Erste Offizier die Höhe aufnahm. Von der Plattform aus sah man ringsum nur Meer, das unruhig geworden war. Kein Schiff, keine Küste. Auf der Karte im Salon stellte ich später fest, dass wir uns unter 33° 22’ nördl. Breite und 16° 17’ westl. Länge befanden, nicht weit von der Insel Madeira entfernt, aber weit genug von allem Festland. Der Gedanke an Flucht konnte aufgegeben werden und ich fühlte mich erleichtert, als er mich verließ. Jetzt konnte ich, unbeschwert durch Vorstellungen des Verantwortungsgefühls, meinen wissenschaftlichen Beschäftigungen wieder nachgehen.
    Um 23 Uhr erhielt ich unerwartet den Besuch des Kapitäns.
    »Sind Sie von gestern noch sehr müde?«
    »Nein.«
    »Ich wollte Ihnen nämlich einen ziemlich merkwürdigen Ausflug vorschlagen.«
    »Aber gern, bitte sehr.«
    »Ich möchte mit Ihnen eine Nachtwanderung über den Meeresgrund machen, und zwar zu einem bestimmten Ziel. Allerdings sage ich Ihnen gleich, dass der Spaziergang diesmal anstrengend sein wird. Wir haben weit zu gehen und die Wege sind oft verschlammt.«
    »Sie machen mich nur neugieriger.«
    »Dann kommen Sie.«
    Wir zogen unsere Taucheranzüge über und setzten die Kupferhelme auf. Ich kam nicht mehr dazu, ihn zu fragen, warum wir ganz allein gingen. Das Wasser lief bereits in die Schleuse. Diesmal hatte ich einen eisernen Stock als einzige Ausrüstung mitbekommen, keine Lampe. Wir sanken aus dem Schiffsleib und standen in 300 m Tiefe auf dem Grund des Atlantiks.
    Es war fast Mitternacht, die Wassermassen um uns tiefdunkel. Nemo hielt mich am Arm, damit wir uns nicht verlören, und er drehte mich so, dass ich in der Ferne einen breit schimmernden rötlichen Punkt im Wasser erkannte, 2 sm von der Nautilus entfernt. Auf dieses unterseeische Feuer schritten wir zu und ich merkte bald, dass von dieser Lichtquelle eine Unterwasserdämmerung ausging, an die sich die Augen gewöhnten. Die ruhmkorffschen Apparate wären also ganz überflüssig gewesen, sie hätten den Zauber dieser Beleuchtung nur zerstört.
    Der Boden stieg kaum merklich an, aber wir kamen trotzdem nicht sehr rasch voran, da unsere Füße in einem Schlamm aus Algengewirr stecken blieben. Dies Ausschreiten geschah fast lautlos, aber ich bekam schon nach kurzer Zeit die Empfindung eines Geräusches. Ich hörte ein feines Rieseln im Wasser, das meinen Kupferhelm umschloss, ein Geräusch, das immer stärker wurde und mich unruhig machte, denn ich wusste nicht, woher es kam und ob es Gefahren ankündigte. Aber dann war mir plötzlich die Ursache klar und ich musste lachen: Auf der Meeresoberfläche regnete es, und was ich hörte, war das Prasseln der Regenströme, die auf das Wasser auftrafen. Augenblicklich verdrängte eine andere Empfindung das seltene Hörerlebnis: Ich fühlte mich durchnässt vom Wasser im Wasser, ich musste mir den Gummianzug zu Bewusstsein bringen, indem ich mich berührte.
    Nach 30 Minuten Marsch wurde der Boden steinig, der Weg aber nicht leichter. Ich trat oft fehl und wäre ohne den Halt des eisernen Stocks sicher ausgeglitten und gefallen. Ich bemerkte trotz des Dämmerlichtes an diesen Steinschichtungen und tangüberwachsenen Felsblöcken etwas Verblüffendes: Sie besaßen eine gewisse Regelmäßigkeit, soweit ich die Lagen in das Dunkel hineinverfolgen konnte. Rundungen, Winkel, Treppenbildungen und Umbauten schien die Natur hier im architektonischen Spiel geschaffen

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