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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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unrühmlichen?
    Da schlug es 20 Uhr, ich erschrak, ich fühlte, dass ich zu weit in das Geheimnis dieses Mannes eingedrungen war, drehte mich um und stürzte verwirrt aus seinem Zimmer. Ich kleidete mich hastig um: Seestiefel, Otterfellmütze, den aus Robbe gefütterten Mantel aus Muschelseide. Das Warten bis kurz vor 21 Uhr war unerträglich aufreibend. Viel zu früh ging ich aus meinem Zimmer und huschte, so leise es ging, in die Bibliothek. Sie lag im Halbdunkel und war leer, merkwürdig unpassend mit Fellmütze und Stiefeln, ich wartete auf Ned Lands Zeichen. Und plötzlich setzte das beruhigende Geräusch der Schraube aus. Ein schwacher Stoß: Wir lagen auf Grund.
    Waren wir entdeckt? Warum kam Land nicht? Hatte man ihn bereits überwältigt? Auf jeden Fall war es unmöglich, unseren Fluchtversuch wie vorgesehen durchzuführen. Ich musste mit dem Kanadier reden …
    In diesem Augenblick wurde es hell in der Bibliothek, die Tür öffnete sich und der Kapitän Nemo trat herein. Ohne im Geringsten auf meine seltsame Kleidung einzugehen, sagte er: »Ah, Professor, da sind Sie ja. Kennen Sie sich in der spanischen Geschichte aus?«
    Ich hätte ihm in diesem Augenblick nicht mal sagen können, wann Karl Martell die Araber besiegte.
    »Na?«
    »Mäßig …«
    »Dann setzen Sie sich hin. Ich erzähle Ihnen jetzt eine merkwürdige Episode aus der spanischen Geschichte.«
    »Aber ich bitte Sie, Kapitän, bemühen Sie sich ni …«
    »Nehmen Sie Platz. Sie bekommen jetzt Antwort auf eine der Fragen, die Sie quälen. 1702 machte Louis XIV. seinen Enkel, den Herzog von Anjou, unter dem Namen Philipp V. zum König der Spanier, aber wenigen gefiel das. Tatsächlich hatten Holland, Österreich und England im Jahr davor ein Abkommen getroffen, die spanische Krone an sich zu reißen und sie einem Erzherzog auf den Kopf zu drücken, den sie voreilig schon Karl III. nannten. Spanien leistete den Absichten dieser Koalition Widerstand. Aber es besaß kaum Soldaten und Seeleute, dafür jedoch Gold. Allerdings in Amerika, wie Sie wissen. Davon sollte gegen Ende des Jahres 1702 eine größere Sendung eintreffen, und zwar im Hafen von Cadiz, gedeckt von einer kleinen französischen Flotte unter Admiral Château-Renaud – der Schutz war notwendig, denn damals kreuzten die Alliierten schon im Atlantik.
    Als Château-Renaud hörte, dass Cadiz von der englischen Flotte unsicher gemacht wurde, wollte er die Sendung in einen französischen Hafen bringen. Aber die spanischen Führer des Transports protestierten. Das Gold sollte in Spanien ankommen, nicht in Frankreich. Wenn nicht Cadiz, dann Vigo. Château-Renaud gab nach und die Galeonen liefen in die Bai von Vigo ein. Sie wissen, dass Vigo eine offene Reede hat, die nicht verteidigt werden kann. Es war also dumm, hier zu ankern.
    Aber es kam noch dümmer. Die Gilde der Kaufleute in Cadiz genoss das Privileg, dass alle Waren und Werte aus Amerika durch ihren Hafen laufen mussten. Die Goldbarren konnten in Vigo also gar nicht gelöscht werden. Auf die Beschwerde der Gildebosse war Philipp V. damit einverstanden, dass die Goldschätze in Vigo eingefroren liegen blieben, bis die feindliche Flotte abgezogen war.
    Die zog aber nicht ab, sondern in die Bai von Vigo, Château-Renaud kämpfte tapfer, unterlag und setzte seine Schiffe in Brand, damit die Schätze dem Feind nicht in die Hände fielen.«
    Ich sah Nemo an. Ich konnte mit dieser Geschichte aus der spanischen Geschichte nichts anfangen.
    »Und jetzt, Monsieur, kommen Sie mal mit ans Fenster!« Er ließ die Wände zurückgleiten und ich spähte angestrengt hinaus. Im Umkreis eines Kilometers war das Meerwasser elektrisch erhellt. Ich sah einen Teil unserer Mannschaft in Taucheranzügen über den Meeresboden ziehen, halb verfaulte Fässer aufbrechen und Kisten entleeren. Aus allen Behältern am Grund des Meeres quoll Gold und Silber und Edelstein. Neben mir stand lachend Nemo, der Alleinerbe des Inkagoldes.
    »Das ist die Bai von Vigo«, sagte er. »Schauen Sie gut hin! Wussten Sie, dass das Meer derartige Schätze enthält?«
    »Ja. Und ich weiß auch von diesem hier. Sie sind mit der Hebung einer gewissen Gesellschaft zuvorgekommen, die von der spanischen Regierung die Erlaubnis erhielt, die bewussten Galeonen zu suchen und zu erleichtern. Die Aktionäre der Gesellschaft haben sich eine Ausbeute von 500 000 000 Franc erhofft.«
    »500 000 000 Franc!«, sagte der Kapitän. »Die waren hier mal. Diese Gesellschaft da sollte sich mal lieber

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