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20.000 Meilen unter den Meeren

20.000 Meilen unter den Meeren

Titel: 20.000 Meilen unter den Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Adieu, mein Herr.«
    Er ließ mich allein und ich wusste immer noch nicht, wie ich der Angst Herr werden sollte, die in mir war, wenn ich mir vorstellte, wie Nemo auf die Entdeckung unserer Flucht reagieren würde: Er musste von Neuem um seine Existenz fürchten, solange wir lebten, er würde gekränkt sein, ja, das sogar bestimmt, denn er hatte uns aufrichtige Gastfreundschaft gewährt, und er wäre wieder allein.
    Aber Ned Land hatte recht, er hatte hundertmal recht. Was mich an Bord hielt, waren sehr private Neigungen, mit denen ich es nicht verantworten konnte, von meinen Gefährten ebenfalls die Gefangenschaft zu verlangen. Der Gedanke, diese Reise in der Mitte abbrechen zu müssen, schmerzte mich fast körperlich und ich brachte einen elenden Tag zu, peilend zwischen Aufruhr und Unterwerfung. Ihn sollte ich verlassen, meinen Atlantik, wie ich ihn zärtlich nannte, ohne seine letzten Nischen ausgeforscht zu haben, ohne ihm die Geheimnisse entrissen zu haben, die sich mir bereits im Indischen und Pazifischen Ozean enthüllten? Meinen Roman nach dem ersten Band fallen lassen, im schönsten Augenblick alles unterbrechen? Ach, wie sehr habe ich in den unerträglichen Stunden dieses Tages gewünscht, dass irgendetwas Neds Plan vereiteln würde!
    Seit drei Tagen hatte ich den Kapitän nicht mehr gesehen, aber es war fast keine Stunde vergangen, in denen Nemo mich nicht tief beschäftigt hatte. Nach der Begegnung mit Nikolas glaubte ich ihm nicht mehr, dass er alle Verbindung mit dem Land aufgegeben hatte. Das Boot hatte die Küste von Kreta bestimmt erreicht. Blieb Nemo immer an Bord? Wenn er sich manchmal lange Tage nicht sehen ließ, wo war er dann? Hielt er sich wirklich in seiner Kabine auf? Betrog er mich nicht und war vielleicht stattdessen weit von uns entfernt, irgendetwas ausführend, das ich beim besten Willen nicht näher ergründen konnte?
    Würde ich ihn vor unserer Flucht noch einmal sehen? Ich fürchtete diese letzte Begegnung und ich sehnte mich danach. Wie oft an diesem Tag, den ich fast ganz in meinem Zimmer verbrachte, erstarrte ich auf dem Bett sitzend und meine Ohren öffneten sich und meine Augen schlossen sich und ich lauschte mit aller Intensität, ob ich nicht einen leisen Schritt oder irgendein Rühren aus dem Zimmer nebenan vernahm – seinem Zimmer. Nichts: Nicht das Geringste und ich war nach diesen vergeblichen Versuchen so wütend, dass ich in den Salon eilte, um Kompass, Log und Karte unseren Stand zu entnehmen.
    Wir blieben weiter in der Nähe der spanischen Küste. Ich erhielt mein Abendessen zur gewohnten Stunde, aber es schmeckte mir nicht. Es war 19 Uhr, als ich ungeduldig die Teller und Bestecke von mir schob und aufstand. Noch 120 Minuten, dann Ned, dann das Boot, das Wasser, vielleicht das Land oder Tod. Ich versuchte, meinen Körper zu beschäftigen, indem ich im Zimmer auf und ab ging, ich hoffte, die Bewegung würde mich von dem Aufruhr in meinem Kopf ablenken. Nicht der Gedanke an die Möglichkeit des Ertrinkens regte mich auf, sondern die Vorstellung, wir würden entdeckt, bevor wir fort wären, und ich müsste ihm ins Angesicht sehen.
    Ein letztes Mal in den Salon. All die lieben Stücke noch einmal sehen, Abschied nehmen von den Meisterwerken der Kunst und der Messtechnik, als hieße es, in ein ewiges Exil aufbrechen.
    Als ich an der Tür zum Zimmer des Kapitäns vorüberging, merkte ich, dass sie offen stand. Nemo nicht in seinem Zimmer? Dann lief er also frei herum und konnte mich von irgendwoher beobachten? Ich spürte plötzlich das starke Klopfen des Pulses in meinen Handgelenken, während ich durch den Türspalt ins Zimmer lauschte. Leer! Ich stieß die Tür weit auf und trat ein.
    Die mönchische Zelle, wie ich sie kannte. Aber an den Wänden einige Bilder, die ich damals übersehen hatte, die mir jedenfalls nicht mehr in Erinnerung standen. Es waren die großen Helden der Geschichte, deren ganzes Leben an einer großen menschlichen Idee hing, die Köpfe von Kosciuszko, dem Polen, Botzaris, dem Griechen, O’Connel, dem Iren, Washington, dem Amerikaner, Manin, dem Italiener, Lincoln, dem Amerikaner, und John Brown’s body, der vom Galgen runterhängt. Was verband ihn mit diesen Männern: Gehörte er dazu? Enthüllten diese Bilder sein Geheimnis? Ein Rächer der Unterdrückten, ein Sklavenbefreier? Hatte er in den politischen und sozialen Umwälzungen dieses Jahrhunderts eine Rolle gespielt? Ein Held des schrecklichen amerikanischen Bürgerkriegs vielleicht, des

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