2001 Himmelsfeuer
den Finger zu stecken. Weshalb Navarro hier auftauchte, war klar: Als ein Mann niederer Herkunft wollte er in die Aristokratie einheiraten.
Wieder durchfuhr sie ein Schreck, den sie aber rasch beiseite wischte. Sollte Navarro bei Lorenzo um Angelas Hand anhalten, würde Luisa der Eheschließung zustimmen – vorausgesetzt, die Hochzeit wurde für, einen Zeitpunkt
nach
ihrer Rückkehr aus Spanien anberaumt.
Sie verließ die Trockenkammer und ging durch das Haus, vorbei an ihren Dienstboten, die Möbel polierten und die gefliesten Böden schrubbten, zog sich dann in ihren privaten Bereich zurück, in dem Truhen gepackt und reisefertig bereitstanden. Dies hier war Luisas Refugium; Lorenzo hatte es nach Fertigstellung des Hauses niemals betreten. Er verbrachte die Nacht in seinen eigenen Räumlichkeiten, sah Frau und Tochter nur zum Abendessen. Dass er ihnen nicht lange nachtrauern würde, war abzusehen. Möglich, dass er erst einmal toben würde, wenn feststand, dass sie nicht zurückkamen, aber bald schon würden seine Kumpane zum Würfelspielen hier aufkreuzen, der Wein würde fließen, und mit der Zeit würden die beiden Frauen, die hier im Haus Platz beansprucht hatten, in Vergessenheit geraten. An Trost würde es Lorenzo nicht mangeln. Schließlich gab es da nicht nur seine Indianer-Mätresse, sondern auch die indianischen Bastarde, die er gezeugt hatte.
Luisa setzte sich an ihren Frisiertisch und öffnete den Deckel eines Holzkästchens, holte unter dem Samt, mit dem es ausgeschlagen war, einen kleinen Messingschlüssel hervor. Neue Hoffnung strömte von dem Metall auf sie über, als sie die Hand um ihn schloss. Er gehörte zu einer kleinen Schatulle, die sie Padre Xavier anvertraut hatte.
Das Versteck hatte sich ihr ganz zufällig angeboten, vor zehn Jahren, als Antonio Castillo, der Hufschmied, in höchster Aufregung aus dem Pueblo angeritten kam. Sein Kind habe hohes Fieber, hatte er vorgebracht, ob die Señora helfen könnte? Luisa hatte mit speziellen Kräutern das Kind vor dem Tode bewahrt, worüber Señora Castillo überglücklich war und darauf bestanden hatte, dass Luisa als Zeichen ihrer aller Dankbarkeit einen goldenen Ring annehmen müsse. Luisa hatte das Geschenk abgelehnt, aber der Ring wurde ihr förmlich aufgedrängt, sodass sie ihn schließlich angenommen hatte und Señora Castillo freudestrahlend abgezogen war. Als dann Luisa mit Kräutertees nach den Rezepten einer alten Indianerin einer jungen Frau bei einer schwierigen Geburt beigestanden hatte, hatte ihr der dankbare Ehemann eine kleine silberne Brosche geschenkt. Nach einiger Zeit war Luisa davon abgekommen, die Annahme von Geschenken zu verweigern. Sie sah nicht ein, warum man nicht im Namen der Heiligen Jungfrau gute Werke verrichten
und
dafür bezahlt werden sollte. Ließen die Padres in der Mission nicht auch während der Messe den Teller für die Kollekte herumgehen?
Lorenzo wusste nichts von Luisas heimlichem Versteck. Nach Erhalt der ersten wertvollen Stücke war sie in Sorge gewesen, er würde sie finden und verjubeln. Mit den Siedlern und Soldaten frönte Lorenzo dem Karten- und Würfelspiel, und bei den Indianern konnte es darum gehen, wie viele Finger ein Spieler hinter seinem Rücken hochhielt. Es kam auch vor, dass Lorenzo mit befreundeten Rancheros unter einem Baum mit Blick auf den Camino Viejo lagerte und sie darum wetteten, welche Farbe das Pferd hatte, das als nächstes vorbeitrottete. Deshalb hatte Luisa ihr Schatzkästchen der Obhut von Padre Xavier anvertraut, den sie in den nachfolgenden Monaten und Jahren immer dann aufsuchte, wenn Lorenzo dem Glücksspiel nachging oder auf der Jagd war, und von Zeit zu Zeit weitere Preziosen bei ihm deponiert, so als leitete er eine Bank. Auch Geld befand sich in der Schatulle: achteckige Silberstücke, mexikanische Pesos, spanische
reales
und sogar ein paar Golddublonen. Ein königliches Lösegeld.
Es war einzig für ihre Tochter bestimmt. Angela sollte unabhängig sein, selbst wenn sie heiratete. Hätte Luisa dieses Geld besessen, als ihre Tochter in der Wüste von Sonora starb, wäre sie umgekehrt und nach Mexiko zurückgegangen. Aber sie war auf Lorenzo angewiesen. Angela sollte dies nicht passieren. Luisa wollte ihr die wertvollen Münzen in Madrid aushändigen und gleichzeitig rechtsverbindliche Dokumente ausstellen lassen, aus denen hervorging, dass Angelas Ehemann, wer immer das eines Tages sein mochte, keinen Zugriff auf das Geld hatte.
Als es an der Tür klopfte,
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