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2001 Himmelsfeuer

2001 Himmelsfeuer

Titel: 2001 Himmelsfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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abstammte.
    Der Wind trug die Stimmen von Lorenzos Besuchern in den Garten, in dem Luisa werkelte. Sie hatte für diese Männer nur Verachtung übrig. Arrogante Angeber waren das, dabei floss nicht ein Tropfen reinrassigen Bluts in ihren Adern.
    Luisa war Spanierin von hoher Geburt und in einem Land aufgewachsen, in dem die gesellschaftlichen Abstufungen klar umrissen waren: Da gab es zum einen den Adel, dann die Schicht der wohlhabenden Kaufleute und schließlich die Bauern. Eine Vermischung fand höchst selten statt. Die Reinerhaltung des Bluts war oberstes Gebot. Selbst in Neu-Spanien, wo die Spanier nach der Unterwerfung der eingeborenen Bevölkerung zweihundert Jahre lang regierten, wurde die strikte Rassentrennung beibehalten. Die
peninsulares
 – in Spanien geborene Weiße – bildeten die neue Aristokratie in Mexiko, was unter den in Mexiko geborenen Weißen – den
criollos
 – für Verstimmung sorgte. Nur
peninsulares
durften mit Don und Doña angesprochen werden, und eine nicht standesgemäße Heirat kam für sie nicht in Frage. Dann waren da die Mestizen, deren Abstammung halb spanisch, halb indianisch war – eine amorphe Massengesellschaft aus Ladeninhabern, Handwerkern, Dienstboten. Auf der sozial niedrigsten Stufe standen die
indígenas
 – die eingeborenen Indianer –, die hauptsächlich für schwere Arbeiten eingespannt wurden. Derart streng waren die Regeln von Rasse und Klasse, dass ein
indígena,
der sich in europäischer Kleidung erwischen ließ, ausgepeitscht wurde. Luisa als
peninsulara
hatte diese Klassenstruktur durchaus zugesagt.
    In Alta California dagegen waren die gesellschaftlichen Abstufungen nicht klar abgegrenzt. Beinahe jeder war irgendein Mischling; weiße Europäer bildeten eine seltene Ausnahme. Es war schwer, den Status des Einzelnen auszumachen. Obwohl Doña Luisa keinen Zweifel daran hegte, welcher Rang ihr und Lorenzo in dieser Gesellschaft zukam, gab es inzwischen wohlhabende Rancheros indianisch-spanischer Abstammung, die in Mexiko einfache Bauern gewesen waren! Wie eine Suppe, in der alles Blut zusammengerührt wurde, kam ihr das vor und widersprach ihrem Klassenbewusstsein. Lorenzo, als
patrón
mit fünfhundert Stück Vieh, dazu Angehöriger der spanischen Aristokratie
und
Offizier im Ruhestand, wurde zwar respektvoll behandelt, aber – eine bodenlose Ignoranz der Siedler im Grenzgebiet – der gleiche Respekt wurde Antonio Castillo gezollt, einem Mann mexikanischafrikanischer Herkunft, der mit einer Indianerin aus der Gegend verheiratet war. Und warum? Weil er der Schmied des Pueblo war! Das, was ein Mann tat, zählte hier mehr als seine Abstammung, was Doña Luisa als rückschrittlich ansah und einer jungen Gemeinde abträglich.
    Da jedoch der Anblick von Lorenzos Gästen abermals unheilschwangere Gefühle in ihr hochkommen ließ – bis zu ihrer Flucht waren es keine zwanzig Stunden mehr –, verzog sich Luisa in die kühle Kammer, in der sie ihren Vorrat an Kräutern und Medizinen aufbewahrte.
    Ihr Wohnhaus war nicht so geräumig, wie Lorenzo dies zehn Jahre zuvor versprochen hatte, reichte aber aus, um Zeugnis von ihrem höheren Status abzulegen. Aus Lehmziegeln errichtet und mit einem Strohdach gedeckt, umfasste es vier Schlafzimmer, ein Speisezimmer, einen Raum, in dem man Gäste empfing, sowie eine große Küche, in der nicht nur für den Hauptmann, seine Gemahlin und seine Tochter gekocht wurde, sondern auch für die Indianerinnen, die sich um die Wäsche kümmerten und nähten und die Speisen zubereiteten und Kerzen fertigten, sowie für deren Männer, die
vaqueros
und
caballeros.
    Die Männer mit ihren leeren Versprechungen, dachte Luisa abschätzig, während sie Blätter und Stängel sortierte und sie getrennt in Körbe schichtete. Nicht nur das von Lorenzo zugesagte herrschaftliche Haus war ein Luftschloss geblieben; auch der um seine Existenz kämpfende Pueblo entsprach bei weitem nicht Gouverneur Neves ursprünglichen Vorstellungen. Hier biete sich die Gelegenheit, hatte er vor elf Jahren bei der feierlichen Übergabe erklärt, eine Stadt zu errichten, wie es sie nirgendwo in Europa gebe, eine Stadt nämlich, für die man, bevor der erste Bewohner sich hier niederließ, einen Lageplan ausarbeiten würde. Er hatte für den Pueblo eine Blaupause angefertigt, in der die Umrisse der Plaza skizziert waren, die Anordnung der Felder und Weiden, der königlichen Ländereien. Einer unkontrollierten Besiedelung werde ein Riegel vorgeschoben, hatte

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