2001 Himmelsfeuer
überschrieben, aber wir werden weiter hier leben!«
Sie runzelte die Stirn. »Wie das? Er bezahlt deine Schulden, und du gibst ihm unser Zuhause. Warum sollte er uns gestatten, hier zu bleiben?«
»Weil … Ich habe ihm darüber hinaus Angela versprochen. Zur Braut.«
Luisa saß wie versteinert da.
»Ihr werdet mir beide noch mal dankbar dafür sein«, fügte er rasch hinzu. »In Europa sind gefährliche Zeiten angebrochen. Das Fieber der Revolution breitet sich aus wie ein Buschfeuer. Bauern schlagen Königen den Kopf ab. Es ist vernünftiger, wenn ihr beide hier bleibt, wo es sicher ist.«
»Wer«, hob sie an, obwohl sie bereits den Namen des Mannes kannte und entsprechend unglücklich war. Es gab ja nur einen im Pueblo von Angeles, der so viel Geld besaß. »Wer soll meine Tochter heiraten?«
»Navarro.«
Luisa schloss die Augen und bekreuzigte sich.
»Santa María«,
sagte sie tonlos. Der Mann, der die Toten beraubte.
»Tut mir Leid, aber so wird es geschehen.«
Sie überlegte, nickte dann langsam. »Dann soll es so sein. Angela wird Navarro heiraten. Wenn wir aus Spanien zurück sind.«
»Aber ich sagte doch bereits, dass ihr nicht fahren könnt. Wir haben nicht das Geld für eure Passage.«
»Ich habe eigenes Geld.« Sie war auf seinen überraschten Blick gefasst, und einen Augenblick lang empfand sie so etwas wie Triumph. Aber der Augenblick zog sich dahin, und Lorenzo sah sie so merkwürdig an, dass sie unwillkürlich in Panik geriet. »Was ist denn?«, fragte sie.
Ein rauer Seufzer entrang sich ihm. Mit einem Mal spürte Lorenzo jeden einzelnen Tag seiner fünfzig Jahre. »Dieses Geld ist auch weg.«
Sie reckte das Kinn. »Du weißt doch gar nicht, von welchem Geld ich spreche.«
»Das weiß ich verdammt noch mal sehr wohl.« Etwas von seinem Stolz kehrte zurück, vor Entrüstung röteten sich seine Wangen. »Als du seinerzeit Padre Xavier für deine Geheimniskrämerei einspannen wolltest, kam er noch am selben Tag zu mir und informierte mich. Die ganzen elf Jahre über hab ich davon gewusst.«
Völlig entgeistert starrte sie ihn an. Die Schatulle! »Er hatte nicht das Recht, dir etwas davon zu erzählen!«
»Hatte er durchaus!«, kam es dröhnend von Lorenzo. »Du bist meine Frau, verdammt noch mal, und alles, was dir gehört, gehört mir. Und jetzt ist es weg«, fügte er, da ihm ihr Blick Unbehagen bereitete, etwas leiser hinzu. »Das Gold hab ich schon vor langer Zeit an mich genommen, und jetzt, Frau, Schluss damit. Kein Wort mehr davon.«
Luisa sprang auf. »Ich werde dir Angela nicht überlassen!«
»Frau, hast du das etwa vergessen?«, bellte er. »Angela gehört mir! Ich hab sie gefunden. Also kann ich mit ihr auch tun und lassen, was ich will!«
Damit stürmte er hinaus und knallte die Tür hinter sich zu. In Luisas Gedanken herrschte Chaos, als sie jetzt versuchte, einen Ausweg zu finden. Sie und Angela mussten unbedingt weg von hier. Aber sie besaßen kein Geld! Kein Kapitän würde ihnen helfen. Und wenn sie in eine andere Stadt flohen, würde man sie aufspüren und zurückbringen.
Die Jicama fiel ihr ein, die Angela erstmals geerntet hatte und deren Samen hochgiftig waren. Es würde ganz einfach sein: die Samen in Wasser legen, damit sich das Gift löste, und dann abends Lorenzos Wein damit versetzen. Bis zum Morgen wären sie frei.
Ebenso schnell, wie er sich eingestellt hatte, verflüchtigte sich der schändliche Gedanke. Lorenzo ermorden – nein, dazu war sie nicht fähig.
Luisas Schultern sackten ein, als ihr bewusst wurde, wie ohnmächtig sie war. Und dann gestand sie sich ein, dass es falsch gewesen war, Lorenzo abzuweisen und ihn auf diese Weise dafür zu bestrafen, sie in diese Ödnis gebracht zu haben. Die vergangenen elf Jahre zogen nochmals an ihr vorbei. Wenn sie doch irgendwie die Zeit zurückdrehen könnte! Sie würde ihm verzeihen, ihn in die Arme schließen und ihm Kinder schenken, aus ihm einen liebevollen Ehemann und Vater machen, der in erster Linie an seine Familie dachte und nicht an seine kostspieligen Glücksspiele und Investitionen in Schiffe, die dann untergingen.
Aber es gab kein Zurück. Kein Entrinnen. Kein Gebet zur Jungfrau vermochte ihr jetzt zu helfen. Und schuld daran war sie selbst.
Mit hölzernen Bewegungen holte Luisa noch einmal das Kästchen aus der Schublade. Diesmal war es nicht der unter dem Futter versteckte nutzlose Schlüssel, auf den sie aus war, sondern das, was sie vor elf Jahren in dem Kästchen deponiert hatte.
Angela
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