2001 Himmelsfeuer
gestürmt wäre, Zimmerman an seinem Adidas-Jogginganzug gepackt und ihm ein Geständnis herausgequetscht hätte.
Als er in sein Wohnmobil zurückgekommen war, klingelten bereits die Telefone – Fernsehstationen, Reporter sowie Gruppierungen amerikanischer Ureinwohner, die sich über die Entweihung einer heiligen Begräbnisstätte der Indianer ereiferten und die angloamerikanischen Archäologen der Fahrlässigkeit bezichtigten, auch wenn Jared darauf hinwies, dass Dr. Tyler immerhin daran gedacht hatte, einen Geräuschmelder in der Höhle zu verstecken, und dass sie es gewesen war, die den Vandalen Einhalt geboten und somit verhindert hatte, dass noch mehr Schaden angerichtet worden war. Es half nichts. Die Stätte war entweiht. Jetzt drohte Unheil.
Jared schluckte noch ein Aspirin. Wenn er doch jetzt in den Club gehen könnte. Aber bis zur normalerweise dafür vorgesehenen Zeit waren es noch Stunden.
Immer wieder tauchte vor ihm die Szene in der Höhle auf, als Erica ihn mit ihren Tränen aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Dabei hatte er sie als resolute Frau eingeschätzt. Als er in die Höhle gekommen war, hatte sie ihm den Rücken zugekehrt. Auf sein »Hoffentlich geben Sie sich damit zufrieden« war sie zu ihm herumgefahren, und die Tränen in ihren bernsteinfarbenen Augen hatten ihn schier die Fassung verlieren lassen. Als sie ihn daraufhin angeschrien hatte, war er zu verdattert gewesen, um überhaupt zu reagieren. Alles, was er denken konnte, war, dass sie sich plötzlich so zeigte, wie sie wirklich war, verletzlich, nicht länger Gegner, sondern Opfer, dass sie ihm eine ungeschützte Seite offenbarte, die in ihm unwillkürlich den Wunsch weckte, nichts mit alldem zu tun, sich niemals mit der Bewegung der Aktivisten eingelassen zu haben, Netsuya niemals begegnet zu sein, wieder in seiner Kanzlei in San Francisco zu sitzen und mit seinem Vater Urkunden, Grundstücksübertragungen und Verträge zu bearbeiten.
Dann war sie gegangen und er noch immer zu durcheinander gewesen, ihr nachzulaufen und seine Worte zurückzunehmen. Er hatte sie nicht verletzen wollen. Seine Bemerkung war auf den Zorn zurückzuführen, der ihn Tag und Nacht beherrschte. Netsuya war auf einem Indianerfriedhof beigesetzt worden. Als er den eingeschlagenen Schädel und die zertrümmerten Knochen der Medizinfrau gesehen hatte …
Er sah über das in der Sonne liegende Gelände hinweg zu Ericas Zelt.
Ein Babyphon.
Sie hatte nicht bei Radio Shack ein Hightech-Überwachungsgerät oder eine unpersönliche elektronische Ortungsanlage gekauft, sondern ein einfaches Babyphon, so als erwartete sie, nachts vom leisen Weinen der steinalten Frau geweckt zu werden.
»Commissioner Black?«
Ein Mann stand am Fliegengitter des Winnebago. Da die Sonne schien und es mild war, hatte Jared die Tür offen gelassen. »Ja?«, sagte er zu dem Unbekannten.
Der Mann reichte ihm eine Visitenkarte. »Julian Xavier, Rechtsanwalt. Darf ich näher treten? Ich möchte etwas Vertrauliches mit Ihnen besprechen.«
Nachdem er es sich in einem der ledernen Clubsessel bequem gemacht hatte, legte sich der große, schlanke Mann mit der goldgefassten Brille seine Aktentasche aus Aalleder fürsorglich auf die Knie und erklärte, er spreche im Namen einer hochkarätigen Gruppe von Medizinmännern und Schamanen verschiedener Indianerstämme. »Sie befürchten, dass das, was hier in Emerald Hills geschieht, Commissioner, symptomatisch dafür ist, wie krank unsere heutige Welt ist. Sie sagen, dass Unheil über die Menschheit kommt, wenn die Höhle nicht verschlossen wird.«
Jared, der sich nicht wieder gesetzt hatte, wartete ab.
Xavier überprüfte seine tadellos manikürten Fingernägel. Ein Mann, der seine Worte genau abwägte. »Mir ist bekannt, dass Sie bereits die Interessen verschiedener Gruppierungen amerikanischer Ureinwohner vertreten, Commissioner, und dass Sie als Mitglied der NAHC zweifellos alle Hände voll zu tun haben. Dennoch würden meine Mandanten gern Ihre Dienste in Anspruch nehmen.«
Jared verschränkte die Arme. »Aber
Sie
vertreten sie doch bereits, Mr. Xavier. Warum dann noch mich hinzuziehen?«
Der Besucher zupfte an seinen doppelten Manschetten, die von goldenen Knöpfen gehalten wurden. »Weil Sie näher am Geschehen dran sind als ich. Ihr Engagement ist wohlbekannt, Sie verfügen über alle Fakten, über die entsprechenden Kontakte in Sacramento und so weiter. Vorteile, Mr. Black, die nach Meinung meiner Mandanten ihrem Anliegen
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