Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2001 Himmelsfeuer

2001 Himmelsfeuer

Titel: 2001 Himmelsfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
Vom Netzwerk:
hatte, wie die Welt erschaffen worden war, dass die Sterne es den Seelen der Toten ermöglichten, auf ihre Söhne und Töchter herabzuschauen. Don Godfredo sah in den Worten des Erzählers einen unsichtbaren Faden, der weit zurückreichte und die Gegenwart mit der Vergangenheit verwob, bis man nicht mehr wusste, ob sich das, was der Erzähler zum Besten gab, vor langer Zeit oder gestern erst zugetragen hatte. Das tat auch nichts zur Sache. Die Geschichten waren gut. Unterhaltsam. Und sie vermittelten das Gefühl von Zusammenhalt und Zusammengehörigkeit, sowohl zu den anderen Zuhörern als auch zu denen, die einst gewesen waren.
    Was er noch erkannt hatte, war, wie sinnlos und alles andere als ein Statussymbol seine elegante europäische Kleidung hier, unter ausschließlich nackten Menschen, war, dass in einem Land mit heißen, trockenen Sommern und milden Wintern gesteppter Samt und einengende Baumwolle sogar höchst unpraktisch waren. Inzwischen fühlte er sich in seiner Haut ebenso wohl wie die anderen Topaa; er verzichtete fortan auf Wams und Gehrock und Kniestrümpfe und lief herum wie weiland Adam.
    Auch seine Zeitmesser und die Wochentage oder welches Jahr man schrieb, bedeuteten ihm nichts mehr. Wie von selbst passte er sich einem neuen Zeitrhythmus an. Wenn er wissen wollte, wie spät es war, hielt er nicht mehr Ausschau nach einer Sonnenuhr, sondern blickte hinauf zur Sonne. Die Namen der Wochentage verloren an Bedeutung, auch die der Monate; es kam einzig und allein auf die Jahreszeiten an, und die, fand er heraus, spürte man instinktiv, so als würde sich der Körper von sich aus darauf einstellen, entsprechend dem Mond und den Gezeiten zu- oder abnehmen, energiegeladen sein oder träge. Der gelehrte Mann fing an, die enge Verbindung der Topaa zum Land und zur Natur zu verstehen. Er sah ein, dass entgegen seiner früheren Meinung und der seiner Freunde zu Hause der Mensch nicht von Tieren und Bäumen zu trennen war. Es gab ein universelles Netz, gewoben von einem kosmischen Weber, und jeder Mann, jede Frau, jedes Reh und jeder Falke, jede Molluske, jeder Busch, jede Blume und jeder Baum waren unauflöslich miteinander verknüpft.
    Das Gefühl, allein und ausgegrenzt zu sein, wich dem einer bisher nicht gekannten Zugehörigkeit. Sein Zuhause in Kastilien wurde zu einem verschwommenen Begriff, unwirklich. Er überließ seine Bücher und Instrumente, Uhren und Schreibkiele sich selbst und rückte von seinem Vorhaben ab, die Topaa mit dem Rad oder der Gewinnung von Metall vertraut zu machen, auch nicht mit dem Alphabet oder Mathematik. Wenn es Gottes Wille war, dass sie wie Adam und Eva im Garten Eden lebten – stand es dann ihm, Don Godfredo de Alvarez, zu, ihnen die Früchte vom Baum der Erkenntnis anzubieten?
    Dreiundzwanzig Sommer lebte er unter den Topaa als Marimis Ehemann. Er schenkte ihr zwölf Kinder, und als er starb, zogen sie ihm die Kleider an, in denen er zu ihnen gekommen war, hängten ihm auch das goldene Kruzifix um und äscherten ihn feierlich ein. Anschließend zogen sie in einem prächtigen Kanu hinaus aufs Meer und verstreuten seine Asche auf den Wellen. Sein zweites Paar Augen, die ihr einen wundersamen Blick auf die Welt geschenkt hatten und die er ihr als Unterpfand seiner Liebe vermacht hatte, begrub Marimi in der Höhle, im Grab der Ersten Mutter, als Geschenk des Mannes, der aus dem Meer gekommen war.

Kapitel 5
    S
chritte. Angestrengtes Atmen. Das Geräusch von grabenden Schaufeln.
    Erica riss die Augen auf. Mit angehaltenem Atem lauschte sie in die stille Nacht.
    Metall, das auf Erde trifft. Eine Spitzhacke, die an Gestein schlägt. Unterdrücktes Fluchen. Keuchen. Eine – nein,
zwei Personen.
    »Das darf doch nicht wahr sein!« Sie sprang aus dem Bett, angelte sich im Dunkeln ihre Kleider. Sie stürzte ins Freie und hastete durch das Camp zu dem ausrangierten Armeezelt, in dem Luke untergebracht war. Sie zwängte sich durch die Klappe, wäre fast über ihren in einen Schlafsack vermummten Assistenten gestolpert. Sie rüttelte ihn unsanft an der Schulter und zischelte: »Luke! Aufwachen! Jemand ist in der Höhle! Leute! Sie graben!«
    Er rieb sich die Augen. »Wa …? Erica?«
    »Wecken Sie die anderen.
Sofort!
«
    Er setzte sich auf. »Erica?«
    Aber sie war schon weg.
     
    »Warte!«, flüsterte einer der Männer und griff nach dem Arm seines Kumpanen. »Hör mal! Da kommt jemand.«
    »Unmöglich«, knurrte der andere, dessen Gesicht von der Anstrengung schweißbedeckt

Weitere Kostenlose Bücher