2001 Himmelsfeuer
öffentlich der Untreue bezichtigte? Fages hatte geleugnet, und als Callis gegen den Rat ihres Beichtvaters ihre Anschuldigungen aufrechterhielt, wurde sie verhaftet und monatelang in einem bewachten Raum in der Mission San Carlos eingesperrt. Während sie dort in Gefangenschaft war, verdammte Padre de Noriega sie von der Kanzel aus und drohte wiederholt, sie in Ketten zu legen, auspeitschen zu lassen und zu exkommunizieren. Obwohl die übrigen Siedler die Frau verteufelten, weil sie den guten Namen ihres Mannes verunglimpft hatte, war Luisa für sich zu der Überzeugung gelangt, Eulalias Verlangen nach einer Scheidung sei eine Strategie, um zu überleben. Sie hatte vier Schwangerschaften in sechs Jahren durchgestanden, als Erstes einen Sohn bekommen, im Jahr darauf eine Fehlgeburt erlitten, dann, erneut schwanger, die gefährliche Reise nach California unternommen, war nach der Geburt der Tochter schwer krank geworden, um bereits ein Jahr später ein Baby zu begraben, das nur acht Tage alt geworden war. Was sie zu dieser spektakulären Tat getrieben hatte, war Luisa klar: Eulalia Callis hatte darauf gebaut, nach Mexiko zurückkehren zu dürfen und somit ihr eigenes Leben und das der ihr verbliebenen beiden Kinder zu retten.
In Alta California konnte eine Frau nicht über sich selbst bestimmen. Nach den Gesetzen des Staates wie auch der Kirche unterstand männlichen Familienmitgliedern sogar das Sexualverhalten der Frau. Apolinaria del Carmen, eine verwitwete Nachbarin, war von ihrem Sohn fast totgeprügelt worden, als er sie mit einem ihrer indianischen
caballeros
im Bett überraschte. Apolinaria war von den Siedlern geächtet und von der Kirche exkommuniziert worden; als sie ein Jahr später starb, erbte ihr Sohn den Rancho.
Und dann war da die traurige Geschichte von Maria Teresa de Vaca, die am Tag ihrer Geburt einem gewissen Dominguez, einem Soldaten im Dienste der Mission San Luis, zur Ehe versprochen worden war. An ihrem vierzehnten Geburtstag hatte man sie dann gezwungen, diesen Dominguez zu heiraten, obwohl der inzwischen auf die fünfzig zuging und kaum noch Zähne im Mund hatte! Im Pueblo wurde man nicht müde, sich darüber zu ereifern, als das arme Ding dreimal weglief, bis es mit Prügeln unterwürfig gemacht wurde, sich schließlich in ihr Los schickte und jetzt ihr viertes Kind erwartete.
Ein derartiges Schicksal, so schwor sich Luisa, sollte Angela erspart bleiben. Die Heilige Mutter Gottes sah für ihre Töchter nicht vor, wie Rinder verkauft und in Besitz genommen zu werden.
Angela betrat den Garten. Das schimmernde schwarze Haar fiel ihr über Schultern und Rücken, ihre Augen funkelten vor Begeisterung über den Ausritt mit Sirocco. »Guten Morgen, Mamá! Schau mal!« Sie deutete auf ihren Korb mit der ersten Jicama, die sie gezüchtet hatte, eine knollenförmige Wurzel von der Struktur einer Kartoffel und dem Geschmack der süßen Wasserkastanie. Dieses einer großen Rübe nicht unähnliche Gemüse entwickelte sich unter der Erde, an den Wurzeln von Ranken mit hübschen weißen oder purpurnen Blüten. Angela hatte die Samen vor sechs Monaten ausgestreut und war auf ihre erste Ernte sichtlich stolz. Luisa nahm den Korb entgegen und beschloss, die Jicama roh zu servieren und sie mit Zitrone, Chilipulver und Salz zu verfeinern – seinerzeit in Mexiko-Stadt ein beliebter Imbiss.
»Und noch etwas, Mamá: Ich habe genau den richtigen Platz für einen neuen Obstgarten gefunden. Hoffentlich überlässt Papá ihn mir. Sind nur ein paar Morgen, unten am Schwemmland.«
Luisa konnte sich nicht erklären, weshalb Angela auf die Idee verfallen war, auf dem Rancho Obstbäume zu pflanzen. Ging es auf die Padres von der Mission zurück, die Alta California gerade mit den ersten Orangen vertraut machten, dass Angela so versessen darauf zu sein schien, den Rancho Paloma in eine Obstplantage zu verwandeln? Wahrlich, im Zusammenhang mit ihrer Tochter gab es da so manches, was ihr rätselhaft war. Zum Beispiel die nicht nachzuvollziehende Rastlosigkeit, die sie jeweils im Herbst überfiel. Dann war Angela stundenlang mit Sirocco unterwegs, sprach mit niemandem, galoppierte einfach drauflos, so als wollte sie davonfliegen. Dann wiederum konnte es passieren, dass sie plötzlich innehielt und unbeweglich zu den Bergen hinüberschaute. Dieses absonderliche Verhalten fiel für gewöhnlich in die Zeit der jährlichen Eichelernte der Indianer, die man dann, aus entlegenen Dörfern kommend, tagelang die Alte Straße
Weitere Kostenlose Bücher