2001 Himmelsfeuer
Ehemann. Ebenso wenig die Padres in der Mission oder die anderen Siedler in und um das Dorf Los Angeles. Luisa behielt dieses Geheimnis für sich, wollte es so lange bewahren, bis sie und Angela in Spanien waren, genauer gesagt in Madrid. Dort würden sie bleiben und nie wieder nach Alta California, in dieses Leben in Gefangenschaft zurückkehren.
Luisa war sich bewusst, dass man das, was sie vorhatte, nämlich ihren Mann zu verlassen, als schändlich erachten würde. Aber das war es nicht. Sie wollte ihm von Spanien aus schreiben und ihn bitten nachzukommen. Wenn er sich weigerte, dann war er der Sündenbock, weil er seine Frau und sein Kind im Stich ließ.
Außerdem würde die Heilige Mutter Gottes, die jedem ins Herz sehen konnte, wissen, dass Luisa das Richtige tat. Das allein gab den Ausschlag.
Sie hielt sich in ihrem Garten auf, wo sie Kräuter erntete. Weil die Seereise lange dauern und gefährlich sein würde, pflückte sie mehr als die übliche Menge Opium. Die Medizin war für Angela bestimmt.
Die Sechzehnjährige war ein Findelkind und litt seit dem Tage, da Lorenzo sie aus den Bergen mitgebracht hatte, an Kopfschmerzen. Das Opium war weniger dafür gedacht, bei einem entsprechenden Anfall lindernd zu wirken, sondern vielmehr um zu verhindern, dass Angela redete. Beim ersten Mal hatte sie unversehens aufgeschrien, sich den Kopf gehalten und das Bewusstsein verloren. In einem Delirium, das die neuen Eltern in Angst und Schrecken versetzte, hatte das kleine Mädchen ausgerufen: »Alles steht in Flammen! Sie verbrennen!«, und hysterisch geschrien. Als Angela dann wieder zu sich gekommen war, konnte sie sich an nichts erinnern, und Luisa hatte alles als einen bösen Traum abgetan. Als aber dann am selben Abend noch ein Feuer in den Bergen von Santa Monica ausbrach und sieben Tage lang wütete, bis es schließlich von einem Sommergewitter gelöscht wurde – später erfuhr man, dass mehrere Indianerfamilien in dem Inferno umgekommen waren –, war Luisa doch recht besorgt um ihr Adoptivkind gewesen. Da Angela, als Lorenzo sie gefunden hatte, Missionskleidung trug und spanisch sprach, nahm Luisa an, dass die Kleine getauft und Christin war. Aber sie wusste, dass alles heilige Wasser der Welt nicht die Herkunft eines Menschen wegzuwaschen vermochte. Wenn das Kind eine Indianerin war, lief Angela, sollte sich ihre prophetische Gabe herumsprechen, dann nicht Gefahr, der Hexerei beschuldigt zu werden? In Spanien wurden Hexen zwar nicht mehr verbrannt, aber wer konnte wissen, was die Padres der Mission mit ihrer Neigung, ihre Indianer streng zu bestrafen, unternehmen würden? Deswegen hielt Luisa seither Opium bereit, um Angela ruhig zu stellen, wenn sie von einem Anfall heimgesucht wurde. Mit der Folge, dass, obwohl das junge Mädchen weiterhin in Abständen Kopfschmerzen plagten, glücklicherweise keine weiteren prophetischen Äußerungen erfolgt waren.
Luisa hielt inmitten des leuchtend roten Mohns inne, stützte sich im Kreuz ab und reckte sich. Die Steife in ihren Gliedern gemahnte sie daran, dass sie kürzlich ihren vierzigsten Geburtstag gefeiert hatte – ihr neunzehntes Jahr außerhalb Spaniens. 1773 war sie im Alter von einundzwanzig Jahren mit ihrer Familie nach Mexiko-Stadt übersiedelt, da ihr Vater einen Ruf an den wissenschaftlichen Lehrstuhl der dortigen Universität erhalten hatte, einen hoch angesehenen Posten. Und weil zudem ein Onkel von ihr der Vizekönig von Neu-Spanien war und ein anderer der
alcalde,
der Bürgermeister von Guadalajara, hatte Luisa das privilegierte Leben der Oberschicht genossen. Noch vor Ablauf eines Jahres hatte sie den schneidigen, gut aussehenden Hauptmann Lorenzo kennen gelernt, ihn geheiratet und ihr erstes Kind bekommen. Wunschlos glücklich hatte sie sich gewähnt.
Und dann waren sie, einem unseligen Traum folgend, von Neu-Spanien in den Norden gezogen und hatten auf dem Weg dorthin ihr Töchterchen begraben müssen. Seither hatte sich Luisa mit dem Gedanken getragen, dieser gottverlassenen Kolonie den Rücken zu kehren. Jetzt, elf Jahre später, sah es ganz danach aus, als sollte ihr Plan endlich Wirklichkeit werden.
Sie hatte Lorenzos Einwilligung zu der Reise einholen müssen, gegen die er zunächst Einwände erhoben hatte. Wer sollte ihm in der Zeit ihrer Abwesenheit den Haushalt führen? Wer die Indianerinnen beaufsichtigen und dafür Sorge tragen, dass er und seine Männer zu essen bekamen? Luisa hatte ihm freigestellt, sich unter den Frauen eine
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