2004 - Im Bann der NACHT
haben.
Crom konnte die Leine ergreifen und sich daran zum Planetoiden herunterhangeln, wo Yessim stand und sich mit beiden Händen am Geländer festhielt. Nach kurzer Zeit, die Yessim dennoch wie eine Ewigkeit vorkam, stand er wieder neben ihm und ergriff ebenfalls das Geländer.
„Danke, Yessim", sagte er mit bebenden Gehirntentakeln. „Das werde ich dir niemals vergessen. Ich verdanke dir mein Leben."
„Mir und meiner übertriebenen Vorsicht", sagte Yessim ironisch.
Im nächsten Moment flammten rechts von ihnen Lichter auf, und sie konnten halb geblendet sehen, wie sich um sie herum 1,25 Meter große, humanoide Gestalten in Raumanzügen mit Flugaggregaten näherten. Gleichzeitig wurden sie über Funk aufgefordert, sich nicht zu bewegen.
„Die Erwachsenen", sagte Crom seufzend. „Sie haben uns gefunden und bringen uns zurück. Aber das soll es mir wert gewesen sein. Ich habe die NACHT gesehen und einen Teil unserer Anlage. Dafür verzichte ich lieber in den nächsten zehn Seg auf neue Abenteuer."
2.
SOL
Vincent Garron hatte die Annäherung des Generationenschiffs an den gigantischen Pilzdom inmitten des PULSES über sein Kabinen-Holo mitverfolgt. Er hatte das riesige Gebilde, 104 Kilometer hoch und 23 Kilometer breit, vor sich wachsen sehen, bis es den gesamten Holo-Kubus ausfüllte. Was dann folgte, war ein greller Blitz gewesen, der kein Ende nehmen wollte.
Garron hatte geschrien. Wahrscheinlich war er aus seinem Sessel aufgesprungen und gestürzt. Jedenfalls registrierte er in einem seiner wenigen lichten Momente, daß er am Boden lag und sich nicht rühren konnte.
Immer noch erfüllte die Helligkeit des Blitzes die Kabine. Der Sprung der SOL ins Unbekannte mußte eigentlich längst vorbei sein - zeitlos!
Und nun waberte die peinigende Helligkeit im Schiff, und Garron wälzte sich stöhnend auf dem Boden. Es war ihm nicht möglich, aufzustehen.
Er war froh, daß er überhaupt noch Luft bekam. Es war, als schleife man ihn durch sämtliche Höllen.
Höllen ...
Das war sein vorerst letzter bewußter Gedanke. Unterbewußt spürte er, daß dies kein normaler Hyperraumsprung war, alles andere als das.
Es war etwas Widernatürliches, dem er kaum noch standzuhalten vermochte. Er sah seinem Tod in die Fratze oder sich zu einem lallenden Wrack werden. Nie hätte er diesen Flug mitmachen, sondern mit Gucky und den anderen im PULS zurückbleiben sollen.
Buße hatte er tun wollen, Buße für das, was er früher einmal angerichtet hatte. Bevor ihn Mhogena, der Gharrer, gewissermaßen befriedet hatte. Doch der Entschluß, diese Buße zu tun, war ein Irrtum gewesen, ein schrecklicher Fehler.
Der Androidenkörper, in dem er steckte, bot ihm einen gewissen Halt, doch viel zuwenig. Garron besaß nicht die notwendige Willenskraft, um in dieser Situation seine Vernunft zu bewahren.
Er spürte, daß er endgültig und für alle Zeiten den Verstand verlor, und er konnte nichts dagegen tun.
Oder doch?
Sein Körper wälzte sich im gleißenden Licht weiter über den Boden, stieß an den Wänden an und erlitt entsprechende Qualen. Er hörte nicht auf zu schreien, brüllte wie ein verwundeter Stier. Warum kam niemand, um ihn zu erlösen? Er brauchte Hilfe! Warum ließen sie ihn alle im Stich?
Das schreckliche Licht! Wenn es nur verlöschen würde. Es machte ihn fertig. Er war ihm ausgeliefert.
Es durchdrang die geschlossenen Lider wie die Glut einer Sonne. Und immer noch hörte niemand seine Schreie.
Wieder ein bewußter Gedanke: Ging es allen an Bord so wie ihm?
„Nein!" brüllte Garron, mit Schaum vor dem Mund. „Es ist meine persönliche Hölle - meine ganz allein!"
Geistig bäumte er sich gegen das drohende Schicksal auf. Er konnte halbwegs wieder denken. Und immer noch das Licht! Ging denn dieser Sprung ins Nichts niemals zu Ende? Wieviel Zeit war schon vergangen? Fünf Minuten? Zehn?
Sein Blick fiel auf das Chronometer an seinem linken Handgelenk. Nur knapp zwei Minuten! Aber auch das war zuviel - viel zuviel!
Der Wahnsinn griff mit glühenden Klauen nach ihm. Er zog die Beine an und umklammerte seine Knie, so daß er dalag wie ein Embryo. Er schrie um Hilfe, doch niemand antwortete ihm.
Aber da war diese Stimme in seinem Kopf. Er verstand nicht, was sie ihm sagen wollte, dazu war sie noch zu schwach. Aber sie wurde lauter, und plötzlich verstand er den Sinn der Frage, die sie ihm unablässig stellte: „Willst du dich für die gute oder die böse Seite entscheiden, Vincent?" hörte er
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