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2009 - Der V-Inspekteur

Titel: 2009 - Der V-Inspekteur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Dorgan als Beauftragter der Spezialwerft AG-X war gewohnt, daß die V-Inspekteure an allem und jedem etwas auszusetzen hatten. Er hatte erlebt, daß einer von ihnen bei der Verdunstung der verwendeten Klebstoffe die Anzahl der abgesonderten Moleküle gezählt und danach die Arbeiten für Stunden lahmgelegt hatte, obwohl für niemanden eine Gefahr bestanden hatte.
    So pedantisch wie Eizo Vikaryo hatte sich allerdings noch niemand verhalten.
    Der V-Inspekteur hatte festgestellt, daß die monierten Automaten im gesamten Schiff nicht den Richtlinien entsprachen. In der WAYLON JAVIER sollte die Nahrung aus chemischen Grundstoffen und angelieferten Naturprodukten in einer Bio-Kompaktküche komponiert werden.
    Eingebaut aber war eine Anlage für Vaku-Kost, bei der hochwertige Lebensmittel einem Vakuum ausgesetzt worden waren, um sie zu trocknen und haltbar zu machen. „Interessiert mich nicht", kommentierte der V-Inspekteur. „Entscheidend ist, daß Speisen serviert werden sollen, die nicht in den Arbeitsverträgen der Besatzungen von LFT-Raumern festgelegten Vorschriften aufgeführt werden."
    Eizo Vikaryo war gnadenlos. Er ließ sich auf keine Diskussion ein. Verstöße dieser Art wollte er auf keinen Fall durchgehen lassen. Brüsk kehrte er den V-Inspekteur heraus, der für den Verband der Besatzungen der Raumschiffe der Liga Freier Terraner tätig war, also für die Gewerkschaft der Raumfahrer. „Hier werden Grundrechte mit Füßen getreten", argumentierte er, Nun wurden seine Lippen ganz schmal. Zugleich bildete sich eine steile Falte auf seiner Stirn, und die Augen verzogen sich.
    Gordon Dorgan hätte am liebsten erwidert, daß solche Einwände für die Werft nicht hinnehmbar seien, da sie einer Einrichtung galten, die eine Qualitätssteigerung, unter gar keinen Umständen aber eine Qualitätsminderung darstellte. Doch er war klug und vorsichtig genug, darauf zu verzichten. Er wußte nur zu gut, welche Macht die V-Inspekteure hatten und welche Konsequenzen eine derartige Äußerung für ihn haben konnte. Vor allem Vikaryo war unglaublich pedantisch.
    Während Dorgan nach Worten suchte, glitten seine Blicke durch die gewaltige Halle, die als Spezialwerft für Raumschiffe der Liga Freier Terraner im Inneren des Mondes errichtet worden war. Der gesamte Komplex war dreißig Kilometer lang und zwanzig Kilometer breit. Er reichte drei Kilometer tief in den Boden Lunas hinab. Acht Kugelriesen der WÄCHTER-Klasse konnten gleichzeitig montiert werden.
    Gordon kam sich stets sehr klein und unbedeutend vor, wenn er sein Büro verließ und diesen gewaltigen Anblick der acht Schiffe genoß, von denen sich jedes in einer anderen Phase seiner Entwicklung befand und von denen die Hälfte noch ohne Außenhülle war.
    Unglaublich! dachte er. Was für gewaltige Raumschiffe! Was für eine gigantische Leistung der Ingenieure! Und dann kommt so ein kleiner Miesling, engstirnig und verbohrt, und zieht sich an Kleinigkeiten hoch.
    Eizo Vikaryo schien nichts beeindrucken zu können, schon gar nicht ein Protest gegen seine pedantische Paragraphenreiterei. „Du kannst mich jetzt allein lassen", sagte er von oben herab. „Ich sehe mich noch weiter um in der WAYLON JAVIER."
    Er wartete die Antwort des Ingenieurs nicht ab, sondern machte sich auf den Weg ins Innere des Raumschiffs. Als er einige Schritte von ihm entfernt war, konnte Dorgan nicht anders: Er streckte die rechte Faust in die Höhe und hob drei Finger.
    Eine eindeutige Geste. Sie bezog sich auf eine Trivid-Serie, von der täglich nicht mehr als drei mal vierzig Sekunden gesendet wurden und deren Konsumenten als geistig ungewöhnlich arm angesehen wurden, da die zwei Minuten Film in vier Stunden Werbung versteckt waren. Daß es überhaupt ein Millionenpublikum für diese Serie gab, lag an den hohen Gewinnen, die täglich im Zusammenhang mit ihr ausgeschüttet wurden.
    Eizo Vikaryo konnte die beleidigende Geste nicht sehen. Eigentlich hätte auch Grossier sie nicht bemerken dürfen, da er ihm den Rücken zuwandte. Doch ohne sich umzudrehen, hob Gratwar-SIER die rechte Hand in die Höhe und antwortete ihm mit der hohlen Hand.
    Damit war er nicht weniger eindeutig und frech. Seine Geste bezog sich auf eine bekannte TV-Werbung für ein Kopfschmerzmittel. Es garantierte für ein ganzes Jahr Beschwerdefreiheit. Die hohle Hand bedeutete in der aktuellen Szenesprache des beginnenden 14. Jahrhunderts: Wer statt eines Hirns ein Vakuum im Kopf hat, kann gar keine Kopfschmerzen haben.
    Gordon

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