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201 - Die Rachegöttin

201 - Die Rachegöttin

Titel: 201 - Die Rachegöttin
Autoren: Michelle Stern
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Als Frau kann ich nicht dienen.«
    »Du sprichst genauso krank wie sie.« Das Verlangen in Kiras’ Blick war unheimlich. »Du bist eine Frau, Airin. Die schönste von allen. Und wenn du keine Kinder bekommen kannst, solltest du endlich mal darüber nachdenken, warum das so ist. Glaubst du wirklich, die Narben auf deinem Bauch kommen von nichts?«
    Airin spürte, wie der Zauber dieser Nacht verflog. Eine eisige Kälte breitete sich in ihr aus. Ja, sie hatte drei Narben am Bauch. Eine lange über dem Schambein und zwei an der Seite.
    »Es war wegen des… Dings in mir. Es musste heraus.«
    »Das hat Marii dir erzählt.« Kiras’ hellblaue Augen schimmerten. Er ließ ihre Handgelenke los und umfasste stattdessen ihren Kopf. »Die Zeit wird knapp, Airin. Ich weiß, du vertraust meiner Mutter. Aber tu mir einen Gefallen: Wenn du die Gelegenheit hast, in die heiligen Schriften zu sehen, die in Mariis Zelt liegen, dann tu es. Sieh in die Schriften, die über dich gefertigt wurden. Sieh dir die Daten zu deiner Operation an.«
    Airin erschrak. »Das… das kannst du nicht wirklich meinen! Niemand darf die Daten sehen! Nur die Uneskaa haben…«
    »Ich meine, was ich sage, Airin. Jahrelang habe ich geschwiegen. Aber jetzt wird sich bald einiges ändern, und ich wünsche dich an meiner Seite.«
    »Du bist verrückt!« Airin riss sich los. »Um unserer alten Freundschaft willen hoffe ich, du kommst zur Vernunft.«
    »Denk darüber nach, Airin. Denk gut nach.« Kiras’ Stimme verfolgte sie. »Du weißt selbst, dass Marii nicht immer die Wahrheit spricht. Sie hat Maddrax belogen. Sie belügt jeden, den sie belügen will. Selbst dich.«
    Airin drehte sich um und floh in die Nacht. Sie rannte den ganzen Weg zu den leer stehenden Zelten und versuchte zu vergessen, was Kiras ihr sagen wollte. Es gab Dinge, über die man besser schwieg.
    Geheimnisse, die tiefere Wunden aufrissen als die Zähne eines Lupa.
    ***
    Tatjena, 23 Jahre zuvor
    Die Morgensonne erhob sich über den roten Dünen. Erste Vögel begrüßten den neuen Tag und flogen übermütige Runden. Sie war unten am Meeresufer, um Moon-Algen zu sammeln. Seitdem Marii sie das Lesen gelehrt hatte, arbeitete sie wie besessen daran, die Schriften Piamas mit Leben zu erfüllen. Es waren über zweitausend Seiten, die Piama ihrem Volk hinterlassen hatte. Allein zweihundert davon handelten von der Heilkunst. Auch spätere Heilfrauen hatten ihre Erfahrungen aufgeschrieben.
    Tatjena wollte sich eben nach einer schön geformten Muschel bücken, die das zurückweichende Meer freigab, als sie die Bewegung am Rand ihres Blickfeldes sah. Sie fuhr hastig herum. In den Büschen, nur wenige Schritte entfernt, kauerte ein Mann. Als er sie erblickte, versuchte er aufzustehen.
    Tatjena entfuhr ein Schrei. Sie zog ihr Messer. Ein Adoor!
    Seine langen Haare waren silbrig grau, der nackte Körper von unzähligen Wunden übersät. Er war in einem üblen Zustand; seine rotbraunen Augen leuchteten fiebrig. Die Haut war rot und erhitzt. Viele seiner Verletzungen waren entzündet.
    Die Heilfrau überwand ihre Furcht und ging zu dem Verletzten hinüber, der noch immer verzweifelt versuchte aufzustehen.
    »Herak«, flüsterte sie seinen Namen. Es war der junge Sohn des Anführers der Adoors, kaum älter als sie. Seine Haare, so hieß es, waren schon immer grau gewesen und standen in einem Kontrast zu dem jungen Gesicht. Sie berührte seine Stirn, fühlte nach seiner Wärme.
    »Ihr sterbt«, hauchte sie. Sie besah sich all die Striemen auf seinem Körper und verstand. »Ihr wart bei Marii.«
    Er stöhnte nur, konnte nicht sprechen. Sie sah das Zittern seiner Lippen.
    Tatjena sah sich misstrauisch um. Marii hatte ihr von Herak erzählt, dem Mann, der den Frieden wünschte. Sie hatte ihn ausgelacht und verspottet. »Soll er nur kommen mit seinem Friedensangebot, ich werde ihn behandeln, wie sie Perdor behandelt haben.«
    Tatjena schluckte. Marii hatte Herak foltern und ihn mehr tot denn lebendig ins Meer werfen lassen. Es war ein Wunder, dass er noch lebte. Die Manstaas mussten noch geschlafen haben.
    Wenn sie ihm half, befand sie sich in höchster Gefahr. Marii würde es als einen Verrat betrachten. Sie wog das Gewicht des Messers in ihrer Hand. Herak schluckte sichtlich. Die rotbraunen Augen zeigten seine Kapitulation. Auch er betrachtete das Messer zwischen ihren Fingern.
    »Tu… es«, flüsterte er. »Ich will nicht… Marii…« Sie Verstand nicht alles, was er sagte.
    Zorn stieg in ihr auf. Marii hatte
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