2012 – Das Ende aller Zeiten
Dinger sorgen für eine Verletzung. Keine tiefe Wunde, aber immerhin. Verdammter Bockmist. Als ich die Wunde untersuchte, sah ich, dass der Speer noch ganz war, und während ich ihn betrachtete, rutschte er durchs Gras von mir weg wie eine Schlange. Ich erwischte ihn an der Fellverkleidung, knapp unter der Stelle, wo die austauschbare Zwinge auf dem Schaft steckte. Jemand versuchte, ihn mir zu entreißen. Ich riss ebenfalls und blickte auf. Es war derselbe Ozelot-Knabe. O Himmel! Sieh es doch ein, Junge, du bist erledigt. Wir starrten einander wütend an, doch es war keine echte Verständigung. Schön, dachte ich, schrei bloß nicht nach Verstärkung. Erspar mir das um deinetwillen. Ich drehte den Speer gegen seine Daumen, aber er wollte ihn nicht freigeben. Ich senkte das Geweih zwischen uns, ging in die Hocke und schaffte es, dabei auf die Füße zu kommen, ohne den Speerschaft loszulassen. Okay, Jed, immer schön festhalten. Ich drehte mich hinter den Baum, die Waffe in den Händen, umkreiste ihn im Uhrzeigersinn, wobei ich den zwanzig Zentimeter dicken Stamm zwischen uns behielt, und benutzte ihn als Hebelpunkt, während ich immer schneller und schneller ging. Ich ließ den Speer mit der rechten Hand los, fuhr damit um den Baum herum und bekam das Leder-Jade-Band an seinem linken Oberarm zu fassen. Dann hatte ich ihn beidhändig, mit dem Baumstamm zwischen uns. Er schien zurückzufahren, als er meine Haut berührte, und war einen Moment lang aus dem Gleichgewicht, mit den Füßen aber auf dem Boden, während ich meine bereits gegen den Stamm stemmte. Ich packte das Lederband fester, beugte mich nach hinten und streckte mich. Es gabeinen schönen Klatscher, als er mit der Brust gegen die Rinde knallte. Die Muskeln seines Unterarms erschlafften kurz, doch den Speer ließ er nicht los, und ich schob die linke Hand höher hinauf, bekam seine Handgelenkmanschette zu fassen und zog. Diesmal konnte ich selbst durch das Holz an den Füßen spüren, wie sein Unterkiefer sich in den Oberkiefer drückte. Kau Rinde, Arschgesicht! Alle Macht den dreckigen Kämpfern! Er rief etwas, war kaum zu verstehen und ging gleich in langes Geheul über, damit auch der Letzte ihn noch orten konnte. Dieser kleine Scheißer. Er musste sich gesagt haben, dass er am Ende war und mich genauso gut einem anderen überlassen konnte. Halt’s Maul haltsmaul haltsmaulhaltsmaul , schrie es in mir, du kotzt mich an, und du bist so was von tot. Ich drehte mich um den Stamm nach rechts, bekam genügend Armfreiheit, um mit der rechten Hand vom Schulterriemen zum Hinterkopf zu greifen, bekam den Scheitelknoten zu fassen und rammte seinen Kopf mit Wucht gegen den Stamm. Ich fühlte den Schädel brechen, und daran, wie der Schädelknochen nachgab, war zu erkennen, dass er seine Festigkeit verloren hatte, wie ein Ei mit gesprungener Schale, dessen Membrane noch nicht gerissen ist. Das Geheul hörte auf. Du bist hinüber , dachte ich. Kapiert? Mit mir kann sich keiner messen! Ha. Klar, ich bin ein bisschen benebelt, aber mit dir, du kleiner Penner, werde ich immer noch fertig. Ich komm schon klar. Außerdem bin ich jetzt bewaffnet. I’ve got a javelin , sang ich in Gedanken, ich habe einen Wu-hurfspeer. Ich habe die Technik.
Weiter. Nach oben. Da ist der Feuerschein. Gar nicht mehr weit. Lauf, lauf.
Hinter mir waren unheimliche Geräusche. O Mann.
Schnüffeln.
Sie schnuppern nach meinem Schweiß. Und Blut. Verdammt. Verdammter Mist.
Still.
Einatmen. Anhalten. Ausatmen. Leiser. Einatmen. Ich stellte den Rhythmus meines Atems auf das Zirpen einer nahen Grille ein. Verschmelze mit der Umgebung. Denke wie ein Strauch.
Trotzdem werden sie mich riechen. Am besten ist, du rückst bald ab.
Moment. Nein, warte.
Entweder die Angst oder die ganze Situation oder etwas anderes rief Gedankenblitze aus Schakals Erinnerung hervor, einen Schnipsel seiner früheren Ausbildung, eine Art Charaktertest, wo die Hüftballpriester ihn in die Seelenhöhle der Hüftballbrüder hinabgeführt hatten. Sie waren ohne Fackeln durch die Gänge gelaufen, indem sie sich den Weg anhand von Rillen im Boden ertasteten, und hatten ihn nackt in einen Steinsarkophag gelegt. Und dann waren sie angeblich weggegangen. Damals hatte er geglaubt, er sei schon tagelang dort, als er die Stimmen hörte. Zuerst war es nur ein fernes Flüstern: Wer ist da, ich rieche jemanden, der nicht hier sein dürfte, essen wir ihn, bedrängen wir ihn. Das waren die Uayob’ alter entehrter Hüftballspieler,
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