2012 – Das Ende aller Zeiten
in absteigender Rangordnung hinter uns hockten. Mich stellten sie an die Seite, auf die Zweitjüngsten-Position, damit ich nichts zu sagen brauchte.
Hier war alles so, als wollte man zu den Künstlern hinter die Bühne. Man musste jemanden kennen. 14 hatte bereits ein Arrangement mitden Schwalbenschwänzen. Die Mauer der Geblüte öffnete sich langsam, schob sich um uns herum und schloss sich hinter dem letzten Mann der Karawane wie eine Amöbe um ein Rädertierchen. Wäre das irgendein normales Tor gewesen anstelle eines menschlichen, hätte sich noch einer von dem Gesindel durchgezwängt. Jetzt waren wir an einer unangenehmen Stelle zwischen dem Pfahlwerk und dem Pass, der tausend Arme bergauf lag. Da waren hohe Pyramiden aus Feuerholz und Baumwollmantas an Leinen, als wären wir in der Wohnwagenburg eines Kollektivs von Öko-Spinnern. Es gab hier mehr Ellbogenfreiheit, und wir fanden einen freien Platz. Die Träger, die die Schlitten über dem Kopf getragen hatten, luden sie endlich ab und nahmen sie auseinander. Es schien sie aufzuregen, dass sie alte Kumpel demontieren mussten. Meine Ketten und ich sind Freunde geworden. Eine Gruppe seltsam wirkender Typen aus dem Teotihuacánischen Haus der Kraniche, offenbar eine Art Steuerinspektoren, wühlten sich durch den Inhalt. 12-Kaiman und der Obermacker der Kraniche suchten die Gabe an den Berg heraus, eine Art Einreisezoll. Ein Buchhalter ging umher und machte Schmetterlingsknoten in eine dicke, zottige Schnurrechnung. Wir trennten uns von unseren Waffen und ein paar verbotenen Dingen wie allem grünem Gewebe, allem aus Schlangenhaut oder allem Ballspielzubehör. Spiele mit großen Bällen wurden als eine Art Kampfsport betrachtet, und darum waren sie hier verboten. Der einzige legale Ballsport war diese lacrosseartige Angelegenheit, die wir eben gesehen hatten und bei der es keine offiziellen Wetten gab. Ich sah, dass sich Hun Xoc und die anderen Spieler Perlenbänder über die Hüftball-Schwielen an Knien und Armen wickelten. Berufsballspieler galten hier als verdächtig.
»Darf ich das Zeug in meinem Magen mit reinnehmen?«, fragte 2-Hand den Buchhalter in unserer Haussprache. »Oder muss ich das hierlassen?«
Der Buchhalter sagte, er verstünde nicht.
»Weil ich es zurückhaben will, wenn wir abreisen«, sagte 2-Hand.
Wir mussten alle dunkelgraue Mantas tragen, und wir setzten unsere tanasacob ein, diese Mundkammdinger. Meiner war extra für mich gefertigt worden – man durfte keinen fremden tragen –, passte abertrotzdem nicht. Blödes Ding. Offenbar konnte man in diesem heiligen Tal nirgendwo mit bloßem Gesicht gehen. Sogar die Diener mussten sich einen Lappen über den Mund binden wie Banditen aus einem Western. Jedenfalls kann man sich keinen ärgerlicheren Männerschmuck vorstellen. Ich habe schon vierzöllige Klitorisringe gesehen, die vermutlich bequemer waren.
Der Maskenverwalter rannte hin und her und machte uns zurecht wie ein Make-up Artist vor der Modenschau. In der Zwischenzeit wurden wir von unseren Gehilfen hart rangenommen. Sie waren ehrerbietig; trotzdem mussten wir tun, was sie sagten. Ich schätze, es war wie mit dem Oberkammerherrn oder wem auch immer, der dem Prinzen von Wales sagt, wo er entlangzuschreiten hat. Jeder von uns – sogar die Sklaven – mussten einen kleinen Friedensschwur nachsprechen, in beiden unserer Sprachen und in Teotihuatacánisch, das endlose agglutimierte Wörter und schräge Vokale aufwies und für die meisten von uns völlig unverständlich war. Im Eid ging es darum, dass wir nie die Waffe gegen jemanden erheben, stets den Mund bedecken und immer anwesend sein würden, um den Mittag und die Morgendämmerung zu nähren. Danach mussten wir jeder ein Kleidungsstück in ein Freudenfeuer werfen. Es stellte sich heraus, dass die Kostümierer uns eigens dafür ein Band um die Fußknöchel gebunden hatten. Damit habt ihr Burschen euch das Weihnachtsgeld verdient, dachte ich. Ich hätte sonst meinen Lendenschurz ins Feuer geworfen. Dann mussten wir alle über eine Linie aus Windenranken schreiten, die eine Uay-Grenze darstellte, also etwas, das die verkehrte Sorte unsichtbarer Wesen nicht überqueren konnte. Schließlich tauften uns die Thuriferare mit dem Rauch aus einer großen Pfeife und schenkten jedem einen kleinen Gegenstand aus Ton.
Ich betrachtete meinen mit diesem »Danke, aber was soll ich damit?«-Gefühl, genau wie wenn sie bei der Yale-Abschlussfeier diese Tonpfeifen und Tabak verteilen. Es war ein
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