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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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20. Jahrhundert überdauert. Anders als in Ix hatte man diese Überreste Anfang des 20. Jahrhunderts ausgegraben und restauriert. 1999 hatte ich hier ein paar Wochen verbracht und kannte die archäologische Karte gut. Nun sah ich, wie fehlerhaft und irreführend die Restauration durch das INHA , das mexikanische Nationalinstitut für Archäologie und Geschichte, ausgefallen war. Doch selbst wenn sie perfekt gelungen wäre – hier gab es so viel zu sehen, was die Zeit nicht überstehen konnte und mir neu war, dass ich kaum die Stätten wiedererkannte, mit denen ich mich befasst hatte. Was die Touristen zu sehen bekamen, war lediglich das Zentrum der Teocalli-Zone, braun und steinig mitten im Nirgendwo gelegen. Jetzt war dieses Zentrum nur ein etwas kunstvollerer Teil einer dicht gepackten Metropole, die sich immer weiter ausbreitete, eine Formation aus ineinander übergehenden Bienenstöcken, die eher wie ein einziges Gebäude erschien und nicht wie mehrere, ein Konglomerat, das sich über den gesamten Talboden ausbreitete und die Hänge hinaufstrebte bis hoch zum Cerro Gordo,eine Landschaft aggressiver Künstlichkeit, wie man sie mit Orten wie Hongkong oder Las Vegas assoziiert, aber nicht mit der vormodernen Welt. Straßen waren nicht sichtbar, denn die Straßen bildeten nur schmale Gassen zwischen breiten Häusern, die man eher als Wohnkomplexe für Großfamilien bezeichnen sollte – daher glichen von hier oben die Wohnbezirke mehr einer Stadt im Nahen Osten als jedem anderen Typus der Alten Welt, nur dass sie sich natürlich in Kleinigkeiten wie den Farben und dem Stil unterschieden. Wie Manhattan wich die Stadt in ihrer nördlichen Ausrichtung ein wenig nach Osten ab, um 15,25 Grad genau, und richtete sich auf Kochab im Kleinen Bären aus; die lange, schnurgerade Kette vertiefter Höfe und breiter Mauern, auf denen Zuschauer stehen konnten und die erst viel später von den Azteken die Straße der Toten genannt werden sollte, erstreckte sich geradewegs von uns weg. Eigentlich war es gar keine Straße, nicht einmal ein Prozessionsweg, sondern eine Reihe von miteinander verbundenen Plätzen, wie man nun erkennen konnte. Es wimmelte dort von Türmen, an die man bei den Rekonstruktionen nicht einmal gedacht hatte. Ich glaube, um der Klarheit willen werde ich sie einfach die Hauptachse nennen. Man konnte jetzt sehen, dass die Hurrikan- mul schwarz und rot war, die mul der Jadehexe schwarz und weiß, die mul des Rasslers schwarz und himmelblau. Doch am beeindruckendsten war die Hurrikan- mul . Drohend wie ein Herzanfall ragte sie vor den Berghängen auf, in einem Maßstab, der völlig fremd erschien, größer als groß, nicht für Menschen geschaffen. Man spürte die Masse, die Anziehungskraft ihres Kerns, und man wollte glauben, dass eine Stahlkugel, die man auf eine waagerechte Oberfläche legte, darauf zurollen würde. An der Spitze brannte seit 44 Jahren ununterbrochen das gleiche Feuer, seit dem letzten Sprung im Zyklus, aber man würde es in elf Lichtern auslöschen, damit es dem Trickster nicht trotzte, dem Schwarzen Verschlinger. Wenn die Sonnenfinsternis sich wieder hob, würden sie das Feuer an der Sonne neu entzünden. Das Ganze hatte eine betäubende Gewissheit, die keine abweichende Meinung zuließ. Wer konnte an eine Revolte gegen so etwas auch nur denken?
    Nun konnte man auch die mul der Jadehexe deutlich sehen – die später so genannte Pyramide des Mondes –, die am Ende der titanischen Straße auf uns herabstarrte. Sie stand zu weit entfernt, als dass man sie durch den Rauch und Dampf deutlich hätte erkennen können, aber irgendetwas schien sie zu umschwärmen. Vögel? Etwas in meinen Augen? Die dritte große mul , die blaue – das einzige blaue Gebäude in der Stadt, das Haus der Sternenrassler-Gemeinschaft –, stand breit und aggressiv am Südostende der Hauptachse. Diese mul war kleiner als die beiden anderen, aber erheblich kunstvoller verziert und noch immer so groß, dass man sich mit ihr nicht anlegen wollte; tatsächlich war sie sogar um einiges größer als in der rekonstruierten Version ein paar Jahrhunderte später, bei der man eine frühere Fassade freilegen würde. Mit ihrer Oberfläche aus ineinander verflochtenen Schlangen zeigte sie deutliche Einflüsse der südlichen Maya; dennoch war ihr Aussehen geometrisiert oder mexikanisiert oder kubistifiziert oder wie man es nennen sollte, sodass es sich sowohl in die übrige Stadt einfügte und doch nicht zu ihr passte, eine weitere

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