2012 - Die Prophezeiung - Alten, S: 2012 - Die Prophezeiung - Phobos
Sir. Ich musste drei Becher ineinanderstellen, sonst hätte ich ihn nicht anfassen können, so heiß ist er.«
»Aus dir wird mal ein guter Ingenieur, mein Sohn.« Mit dem Becher in der rechten Hand rollt Julius zur Straße und wartet auf eine Lücke im Verkehr, bevor er wieder auf den Strip fährt.
Der weiße Van einer Kabelfernsehgesellschaft parkt einen Block weiter an der gegenüberliegenden Straßenseite. Ein Fahrer und ein Beifahrer sitzen darin.
Julius wendet in Richtung Süden, reißt plötzlich das Steuer herum, fährt an die Fahrerseite des Vans heran und …
… schüttet den Kaffee durch das offene Fenster.
»Ahhh! Ahh!«
»Ich habe euch Geheimdiensttypen doch davor gewarnt, mich in meiner freien Zeit zu verfolgen. Wenn ich das nächste Mal einen von euch in meinem Rückspiegel sehe, dann war das mein letzter Tag in Groom Lake. Das könnt ihr eurem Boss ausrichten. «
Julius rollt zurück auf eine der nach Süden führenden Spuren des Strip und fährt in Richtung Mandalay Bay Resort and Casino.
»Verdammt, was war denn das?«
»Man muss diesen Schweinen zeigen, dass alles eine Grenze hat, Marvin. Wie wär’s, wenn wir jetzt ein Glas zusammen trinken?«
»Solange Sie es mir nicht ins Gesicht schütten.« Marvin sieht, dass Julius’ Hände zittern. Er ist aschfahl. »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
Julius zieht eine Grimasse und krümmt sich vor Schmerz zusammen. Er tritt auf die Bremse, während die Ampel vor ihm auf Gelb springt. Mit quietschenden Reifen kommen die Fahrzeuge hinter ihm zum Stehen. Die Fahrer drücken auf die Hupe.
»Haben Sie eine Herzattacke? Oh, mein Gott …« »Handschuhfach. Pillen.«
Hektisch durchsucht Marvin das Handschuhfach – und findet das Medikamentenfläschchen mit dem Nitroglyzerin. »Ich hab’s. Hier.«
Mit zitternder Hand fischt Julius eine Tablette heraus und schiebt sie sich unter die Zunge.
»Kommen Sie, wir bringen Sie in eine Klinik.«
»Nein.« Die Ampel schaltet auf Grün. Die anderen Wagen fahren an ihnen vorbei; einige zeigen Julius den Mittelfinger.
»Professor.«
»Alles wieder in Ordnung.«
»Fahren Sie wenigstens rechts ran und lassen Sie mich ans Steuer.«
Julius fährt quer über zwei Spuren und parkt den Wagen. »Zwischen uns besteht eine enge Verbindung, Marvin.«
»Ich fühle mich geschmeichelt, aber das war nur eine Tablette.«
»Nicht zwischen Ihnen und mir. Zwischen unserem grauen Besucher und mir. Es ist schwierig zu erklären, aber wir sind auf einer metaphysischen Ebene verbunden, die unsere eigene, vereinzelte Existenz transzendiert.
Seine Gefangennahme und meine Anwesenheit in Groom Lake … das war kein Zufall. Er hat eine Stafette an mich weitergereicht, und jetzt liegt es an mir zu handeln. Ich sage Ihnen das, weil auch Sie in diesem Plan eine Rolle spielen – nicht im Augenblick, aber irgendwann in der Zukunft. Sie und ich, wir dienen einem höheren Zweck … höher als alles, was Sie sich vorstellen können. Zum ersten Mal seit vierzig Jahren verstehe ich, worum es bei der Weltuntergangsprophezeiung der Maya wirklich geht. Es geht nämlich nicht um Asteroiden oder Erdbeben – es geht um das außer Kontrolle geratene Ego des Menschen. Gier, Korruption, Hass, Negativität … vieles davon ist darauf zurückzuführen, dass die Gesellschaft aus dem Gleichgewicht geraten ist. Das eine Prozent der Reichsten und Mächtigsten herrscht über die anderen neunundneunzig Prozent. Spitzenpolitiker, die großen Ölgesellschaften, die Banken und der ganze militärisch-industrielle Komplex – sie alle haben nur ein einziges Interesse: alles an sich zu raffen, indem sie die Mehrheit unterdrücken und verhindern, dass wir auf der Leiter der Existenz zu neuen Höhen aufsteigen. Wir müssen uns aus diesem Würgegriff befreien, Marvin. Wir müssen die Kultur des ›Ich‹ in eine des ›Wir‹ verwandeln, oder wir werden alles verlieren. Da draußen gibt es so viel, aber die Uhr tickt. Wenn sich bis zum Ende des fünften Zyklus nichts ändert, wird alles, was in dieser Blase der physischen Welt existiert, verschwunden sein.«
Marvin Teperman wischt sich den Schweiß von seinem bleistiftdünnen Schnurrbart. »Ich kann nicht behaupten, dass ich alles verstehe, was Sie sagen. Aber ich vertraue Ihnen. Was soll ich Ihrer Meinung nach tun?«
»In der untersten linken Schublade des Schreibtischs in Randolphs Büro befinden sich einige Disketten.«
»Unterste linke Schublade … wollen Sie etwa, dass ich dort einbreche?«
»Nein, nein.
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