2012- Die Rückkehr
Junge mit dem ebenholzfarbenen Haar schnarcht leise.
Jacob steht über ihm und grinst hinterhältig. »Steh auf, du elender Faulpelz!«
Manny setzt sich mit heftig pochendem Herzen erschrocken auf. »Huh!«
»Schalt den Wecker aus. Und jetzt steh auf - wir müssen trainieren.«
»Verschwinde!« Immanuel zieht sich die Decke über den Kopf.
Jacob greift unter die Decke, setzt seine Schulter wie einen Hebel ein und hebt seinen Zwillingsbruder über seinen Kopf.
»Hilfe! Ma …«
»Du gerätst immer mehr in Rückstand, Manny. Eigentlich solltest du mit mir mithalten können, aber das schaffst du nicht …«
»Lass mich in Ruhe, du Freak.«
»… denn du bist so ein Leichtgewicht.«
»Ma! Ma, er macht es schon wieder!«
Die Leibwächter, noch in ihren Bademänteln, treffen zuerst ein. »Schon wieder?« Salt schüttelt den Kopf und schiebt seine Waffe zurück in sein Holster.
»Bitte, Jake«, sagt Pepper in beschwörendem Ton, »lass deinen Bruder wieder runter.«
Dominique schiebt sich an den beiden Leibwächtern vorbei. »Jacob Gabriel, du lässt deinen Bruder sofort runter!«
Manny fällt zu Boden, sein Gesicht schlägt dumpf auf den Teppich. Der dunkelhaarige Zwilling setzt sich auf. Seine Augen sind voller Tränen, und seine Nase blutet.
Dominique wird rot im Gesicht. »Verdammt, Jacob, sieh dir nur an, was du getan …«
»Er ist selbst schuld. Er hätte sich beim Fallen abrollen sollen. Unser sensei hat ihm das schon vor Monaten beigebracht.«
»Es ist sechs Uhr morgens!«
»Wenn der Gott des Todes uns herausfordert, wird er sich nicht um die Uhrzeit kümmern. Wir müssen vorbereitet sein.«
»Ich hasse dich!«, schreit Immanuel. »Du bist so ein kranker Freak.«
»Ich bin Superman. Du bist nur Clark Kent. Ein einziger Jammerlappen.«
Dominique greift nach Jacob, doch der hellhaarige Zwilling ist zu schnell und springt über das Bett. »Närrische Sterbliche, ihr könnt Superman nicht fangen!«
Salt schneidet ihm den Weg ab, und das Spiel ist eröffnet.
Jacob täuscht ein Ausweichen nach links vor, springt über eine Kommode und taucht unter den Händen des älteren Leibwächters hindurch.
Pepper versperrt mit seinem gewaltigen Körper die offene Tür. »Das Spiel ist vorbei, Jake.«
Ohne innezuhalten springt der Junge in vollem Lauf los, seine Beine wirbeln durch die Luft wie bei einem Dreispringer, und sein rechter Fuß kracht gegen die gewaltige nackte Brust des Afroamerikaners. Der Aufprall schleudert den Leibwächter nach hinten durch die offene Tür.
Jacob vollendet seinen Sprung mit einem Salto und landet mitten im Lauf. Er stürmt den Flur hinab in die Küche und durch die Hintertür ins Freie. »Superman … da-datada …«
Pepper setzt sich auf und massiert sein geprelltes Brustbein. »Verdammt, wie hat er das nur geschafft?«
Dominique ist außer sich vor Wut. »Ich schwöre bei Gott, dass dieses Kind noch mein Tod sein wird. Komm, Manny, wir besorgen Eis für deine Nase.« Sie hilft ihm auf die Beine und führt ihn an der Hand aus dem Schlafzimmer.
Mitchell Kurtz blickt hinab auf seinen größeren Kollegen. »Jetzt weißt du, warum Karla und ich nie Kinder haben wollten.«
Belle Glade, Florida
6.17 Uhr Die ersten Strahlen der Morgensonne spiegeln sich in der Dämmerung auf dem Lake Okeechobee und drücken einen feurigen orangefarbenen Kuss auf die funkelnden weißen Rümpfe der Glücksspiel-Fähren und der Jachten, die Reihe um Reihe nebeneinander an den neu eingerichteten Ankerplätzen liegen. Nach einer weiteren ausgedehnten Nacht voller Touristen ist in den Hotels
und Kasinos, den Restaurants und Geschäften noch alles still. Die Pelikane und Strandläufer finden im Abfall reichlich zu essen.
Wenn man den von goldenem Licht erfüllten Straßen über die renovierte Stadthalle und das Bürgerzentrum hinaus nach Süden und dann nach Westen folgt, erreicht man das Ende der auf Urlauber eingerichteten Stadtteile. Ein Straßenschild an der Kanalbrücke warnt einen davor, dass man im Begriff ist, die Touristenviertel zu verlassen, und ein entsprechendes Schild jenseits der Brücke begrüßt den Besucher im eigentlichen Belle Glade.
Die Gitter vor den Fenstern der Geschäfte und Wohnhäuser stellen eine zusätzliche Warnung dar.
Das Geld, das beim Glücksspiel umgesetzt wird, hatte bisher kaum einen Einfluss auf diese Enklave der Armen, es sei denn, man betrachtet die erhöhte Polizeipräsenz und den Erweiterungsbau des Gefängnisses als Verbesserungen des
Weitere Kostenlose Bücher