2012- Die Rückkehr
Sicherheitsbeamten bekommen jede Woche Hunderte von Briefen, und einige sind ziemlich drastisch. Das alles ist so krank.«
»Ich hatte ja keine Ahnung.«
»Wir sind Gefangene in einem goldenen Käfig. Jacob macht das nichts aus, aber der arme Manny - er spricht nur noch davon, dass er Football und Basketball spielen will, wenn er älter ist. Es bricht mir das Herz.«
»Was ist mit Jake?«, fragt Mindy. »Was will er tun, wenn er älter ist?«
»Jake will trainieren. Ich muss ihn nie dazu drängen, denn er weiß intuitiv, was vor ihm liegt. Schon in der Morgendämmerung schwimmt er seine Bahnen, und dann sitzt er zwei Stunden vor dem Computer und lernt weiß Gott was auswendig. Nach dem Frühstück geht es in den Fitnessraum, wo er bis zum Mittagessen mit seinem tibetischen Mönch trainiert …«
»Er ist sieben Jahre alt«, sagt der Rabbi. »Er sollte Comics lesen und … ab und zu ein Nickerchen einschieben.«
»Verstehst du nicht? Er ist nicht wie andere Kinder. Jakes Nickerchen bestehen aus Stunden transzendentaler Meditation. Manchmal döst er vor sich hin - wenn man es so nennen kann -, indem er kopfüber an einer Sprossenwand hängt, und bei anderen Gelegenheiten steigt er in eine mit kaltem Wasser gefüllte Wanne.«
»Kaltes Wasser?«
»Der Mönch hat ihm das beigebracht. Er sagt, es zwinge den Geist dazu, das Blut in die inneren Organe zu leiten. Zuerst konnte Jake nur dreißig Sekunden lang in der Wanne bleiben. Jetzt schafft er bis zu fünfzehn Minuten. Einmal wollte ich seinen Puls fühlen, und ich schwöre, ich konnte ihn nicht finden.«
»Nun, wie können wir euch helfen?«
»Ich mache mir Sorgen, weil ich die Jungen großziehen muss, ohne dass es eine Vaterfigur in ihrem Leben gibt. Salt und Pepper sind zwar da, aber sie sind eher wie große Brüder.« Sie wirft dem Rabbi einen Blick zu.
»Okay, okay. Ich werde mit ihnen reden. Vielleicht schaffe ich es sogar, dass Jacob einen Teil seiner Energie in eine neue Richtung lenkt.«
Jacob betritt das Arbeitszimmer. »Ja, Sir, Sie wollten mich sprechen?«
Der Rabbi sieht vom Computer auf. »Wie? Keine Umarmung?«
Jacob umarmt den Mann kühl. »Ist das alles, Sir? Ich habe in einer halben Stunde Jiu-Jitsu-Unterricht, und ich sollte wirklich …«
»Jiu-Jitsu kann warten. Ich möchte mit dir über jüdische Religion und Kultur sprechen.« Ein verkrampftes Lächeln.
Keine Reaktion.
»Weißt du, deine Großmutter väterlicherseits war Jüdin, genauso wie die Eltern deiner Mutter.«
»Genau genommen, Sir, wurde meine Mutter adoptiert. Ihre leibliche Mutter war eine Quiché-Maya. Ihr Vater war …«
»Sei’s drum. Geschichte ist wichtig. Deine Mutter hat mir gesagt, dass du dich für das Popol Vuh der Maya interessierst.«
»Ja, Sir. Es ist eine heilige Schrift.«
»Ja, Sir, ja, Sir … Nenn mich Rabbi oder Onkel Rich, okay, tatt-ala ? Wie auch immer. Ja, ich nehme an, dass das Popol Vuh eine heilige Schrift ist, aber sie ist gerade mal - wie alt? Fünfhundert Jahre? Die Bibel hingegen ist mehrere tausend Jahre alt.« Er dreht sich auf seinem Stuhl
zum Mikrofon des Computers. »Computer, die Thora, auf Hebräisch.«
Auf dem Bildschirm erscheinen hebräische Buchstaben.
»Deine Mutter hat mir gesagt, dass du mehrere Sprachen beherrschst. Kannst du Hebräisch lesen?«
»Nein, Sir … äh … Rabbi.« Der Blick aus seinen blauen Augen springt zur holografischen Zeitanzeige über dem Computermonitor. »Eigentlich bin ich nicht besonders interessiert an …«
»Nicht interessiert? Du überraschst mich. Ich habe dich für jemanden gehalten, der Wissen sucht, der die Wahrheit sucht.«
»Das Popol Vuh ist …«
»Das Popol Vuh ist nicht sehr genau, Jacob. Es wurde geschrieben, lange nachdem dieser Kuku-Typ …«
»Kukulkan.«
»Genau. Lange nach Kukulkans Tod. Die fünf Bücher Mose hingegen wurden vor mehr als dreitausend Jahren von Moses selbst verfasst.«
Ein Gedanke beginnt sich in Jacobs Kopf zu regen. »Moses hat die Bibel geschrieben?«
»Den größten Teil davon. Und hast du gewusst, dass jede einzelne hebräische Bibel, die existiert oder jemals existiert hat, auf exakt dieselbe Art abgeschrieben wurde, Wort für Wort, Buchstabe für Buchstabe? Wenn auch nur ein einziger Buchstabe nicht an seiner exakten Stelle steht, kann die Bibel nicht benutzt werden. Hast du das gewusst?«
»Nein … Rabbi.« Jacob berührt seine Schläfe und schließt die Augen.
»Alles in Ordnung, tatt-ala ?«
Der Junge nickt. »Ja. Ich hatte nur ein
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