2012- Die Rückkehr
die Echoortung.«
»Echoortung? Sind das diese schrillen Klicklaute?«
»Genau. Meine Großmutter sagt, dass Zahnwale mithilfe dieser Klicklaute Dinge sehen können. Das Echo hilft ihnen, sich zu orientieren und sich in ihrer Umgebung zu bewegen. Dabei sehen sie Dinge, die wir mit unseren Augen niemals wahrnehmen würden.«
»Wie mit einer Art eingebautem Sonar?«
»Genau. Die Echoortung verschafft Walen so etwas wie einen Röntgenblick. Meine Großmutter sagt, dass ein Delphin oder ein Wal mithilfe seiner Echoortung einem Hai noch auf mehrere hundert Meter Entfernung direkt in den Bauch sehen und erkennen kann, ob er in letzter Zeit etwas gegessen hat.«
»Weiß deine Großmutter auch, warum so viele Wale in den Golf von Mexiko wandern?«
»Das liegt an der Anomalie.«
»Anomalie? Welche Anomalie?«
»Die sie im Chicxulub-Krater entdeckt hat. Sie bringt den Orientierungssinn der Wale durcheinander.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Im Gehirn eines Wals befinden sich sogenannte magnetische Kristalle. Wale nutzen das Magnetfeld der Erde zur Orientierung. Es ist, als hätten sie einen eingebauten Kompass. Die magnetische Anomalie im Golf bringt ihren Kompass durcheinander und verwirrt sie. Deshalb stranden auch so viele von ihnen. Mein Großvater Julius wusste auch alles über Wale.«
»Woher weißt du das?«
»Es steht in seinem Tagebuch.« Der Teenager gibt einen weiteren Befehl ein, sodass eine neue Seite auf dem Computer erscheint.
Das Tagebuch von Julius Gabriel
»Sind das die Erinnerungen deines Großvaters?«
»Ja. Jake hat alles auf einer Audio-Disc gespeichert. Computer, lies Eintrag 722 vor.«
Tagebucheintrag Nr. 722
Aufgenommen auf dem Nazca-Plateau, Nazca, Peru.
17. Januar 1993
Vor dem Hintergrund eines leichten Knisterns erklingt die Stimme des toten Julius Gabriel aus den Surround-Lautsprechern:
»Von allen zoomorphen Darstellungen, die sich in dieser öden Pampa finden, sind die drei Nazca-Wale, bei denen sich jedes Tier deutlich von den anderen unterscheidet, vielleicht am bizarrsten.
Ich werde mit der ältesten Darstellung beginnen, einem über neun Meter großen Exemplar mit einer gewaltigen Fluke und vier beinartigen Anhängseln. Obwohl mehrere meiner Kollegen diese seltsamen Gliedmaßen als ›künstlerische Freiheit‹ bewerten, bin ich anderer Meinung, denn ich glaube, dass unser vor so langer Zeit tätiger Künstler etwas anderes im Sinn hatte.
Paläontologen haben festgestellt, dass Wale von einem riesigen, rattenartigen Landsäugetier namens Pakicetus abstammen, das inzwischen ausgestorben ist. Irgendwann nach dem Aufschlag des Asteroiden, der zum Aussterben der Dinosaurier führte, ging dieser Landbewohner rätselhafterweise auf seinen vier Beinen wieder ins Meer zurück. In den folgenden 25 Millionen Jahren gelang es der Evolution, dieses Landsäugetier in einen Bewohner des Ozeans zu verwandeln.
Ebenso geheimnisvoll ist ein seltsames Objekt, das unter den Unterkiefer des Meeressäugers gezeichnet wurde. Den meisten meiner Kollegen gilt diese Darstellung als Atemloch, das den Blas ausstößt. Dem stimme ich nachdrücklich nicht zu. Das Blasloch eines Wals liegt auf der Oberseite seines Kopfes, doch dieses Objekt befindet sich eindeutig unter dem Unterkiefer der Kreatur. Die Antwort meiner Kollegen auf diese nicht zu bestreitende Tatsache besteht darin, dass sie mit einem Achselzucken darüber hinweggehen und behaupten, der Künstler habe einfach nur einen Fehler gemacht.
Einen Fehler? Die uralten Bilder und geometrischen Figuren auf dem Nazca-Plateau sind von einer fast übermenschlichen Präzision. Konnte dem Schöpfer dieser Bilder ein derart eklatanter Fehler unterlaufen? Ich glaube das nicht.
So unwahrscheinlich meine Theorie auch klingen mag, ich glaube, dass das kreisförmige Objekt eine Form von Kommunikation darstellen soll. Ich glaube, dass der Schöpfer der Nazca-Zeichnungen in der Lage war, mit diesen uralten Walen zu kommunizieren, und dass der Künstler uns dies zweifellos wissen lassen wollte.«
»Computer, beende das Programm.« Immanuel blickt zur alten Dame auf. »Nun?«
»Nun was?«
»Glaubst du, dass die Hüter mit den Walen kommuniziert haben?«
»Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung.«
»Jake glaubt, dass es so war. Letzte Nacht war er am Strand und … ach, egal. Es ist zu dämlich.«
»Was ist zu dämlich?«
»Nichts. Ich muss los.«
»Warte. Manny, bevor du gehst, möchte ich dir eine Frage stellen.«
»Nur
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