2012- Die Rückkehr
Zimmer.
»Nicht …«
»Komm schon, Baby …«
»Nein … Ron, bitte nicht …«
»Ich mag’s nicht, wenn man mich nur so aufgeilt.«
»Ich hab dich nicht nur so aufgegeilt.«
»Gut. Wenn ich ihn schon nicht reinstecken darf, dann lutsch ihn wenigstens.«
Brandy erscheint hinter Rons Schulter. Tu’s einfach. Es ist leichter, als sich mit ihm zu streiten.
Lilith öffnet den Mund. Atmet seine Männlichkeit ein. Unterdrückt ihren Würgereflex. Und erbricht sich über Rons Basketballschuhe.
»Igitt … du blöde Schlampe!« Ron schlägt ihr hart ins Gesicht.
Zu erschöpft, um den Schmerz zu spüren, und zu high, um in den Nexus zu finden, schließt Lilith die Augen und saugt das Blut auf, das aus ihrer Unterlippe rinnt.
Dante kommt näher. »Ich spreiz ihre Beine. Du besorgst es ihr zuerst … dann bin ich dran.«
6.15 Uhr Kurz vor Sonnenaufgang stolpert Lilith nach Hause. Ihre Unterlippe ist geschwollen, und sie hat blaue Flecke auf den Wangen. Ihr Oberteil ist zerrissen. Sie trägt keine Schuhe mehr.
Lilith ist nicht mehr benommen.
Lilith ist nüchtern.
Lilith ist bereit zu sterben.
Sie schleicht zur Rückseite des Hauses und geht in die Küche. Sie hört Quenton schnarchen.
Leise durchsucht sie eine bestimmte Küchenschublade. Sie findet das Steakmesser.
Sie betritt Quentons Schlafzimmer und sieht, dass er auf dem Fußboden zusammengesunken ist. Sie geht ins Bad. Starrt die Badewanne an und die Rasierklingen, die in der Seifenschale liegen. Denkt nach. Entscheidet sich dagegen, Wasser in die Wanne laufen zu lassen, aus Angst, ihren Großvater zu wecken.
Lilith schlüpft in den begehbaren Schrank und zieht an der Kette, die von der Decke hängt. Die hölzerne Trittleiter, die auf den Dachboden führt, gleitet herab. Weil sie ganz allein für sich sein will, kriecht sie unter die Zwischendecke unter dem Dach.
Lilith hasst den Dachboden. Als Vierjährige hatte Lilith Angst vor dem Dachboden gehabt.
Doch heute Morgen ist der Dachboden eine Zuflucht. Und ein Ort, von dem es keine Rückkehr mehr geben wird.
Die Morgendämmerung schimmert durch ein rissiges sechseckiges Fenster.
Lilith starrt die Adern an ihren Handgelenken an. Sie hat keine Angst vor dem Tod, aber sie hat Angst vor dem Schmerz. Schmerz bedeutet Lärm, und Lärm könnte Quenton aufwecken.
Sie sieht sich nach einem Handtuch oder einem Hemd um, nach irgendetwas, das sie sich in den Mund schieben
und auf das sie beißen kann, während sie sich die Pulsadern aufschneidet.
Sie setzt sich auf und wimmert angesichts der stechenden Schmerzen in ihrem angeschwollenen Rektum. Sie überlegt, ob sie zu Jacob Kontakt aufnehmen soll, aber sie schämt sich zu sehr. Er wird mich für eine Schlampe halten.
Sie sieht sich mit ihren azurblauen Augen auf dem Dachboden um, und ihr Blick bleibt an einer Pappschachtel hängen, die sie nicht kennt. Sie zieht die Schachtel zu sich her und öffnet sie.
Plötzlich ist sie nur noch neugierig. Es sind die persönlichen Besitztümer ihrer Mutter.
Sie nimmt das verstaubte Fotoalbum aus der Schachtel und öffnet den eingerissenen Einband. Die Hälfte der niemals eingeklebten Fotos fällt heraus.
Ein vergilbtes Schwarz-Weiß-Foto ihrer Mutter und ihres Vaters beim Ehegelübde.
Ein amtliches Dokument, das die Adoption von Madelina Aurelia durch ihre Adoptiveltern, die Moreheads, bestätigt.
Madelinas Schulzeugnis aus der zweiten Klasse - nichts als Einsen.
Einige beunruhigende Aquarellbilder. Mehrere Fotos ihrer Mutter als Teenager.
Sie greift nach einem versiegelten großen Umschlag, reißt das gelbe Klebeband auf und zieht mehrere alte Zeitungsausschnitte sowie das Schwarz-Weiß-Foto eines furchteinflößenden alten Mannes heraus.
Auf der Rückseite steht: Onkel Don Rafelo.
Sie faltet die alten Zeitungsausschnitte auf. Jeder Bericht betrifft ihren Großonkel, der als Nagual bezeichnet wird - als mächtiger mexikanischer Hexer.
Lilith liest, und ihr schizophrener Geist saugt die Informationen in sich auf wie ein Schwamm.
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31. Oktober 2027
Belle Glade Highschool
Belle Glade, Florida
Schüler lungern auf dem vielfach geflickten Asphaltschulhof herum und warten darauf, dass es zur sechsten Stunde läutet. Dutzende stehen neben dem über zwei Meter hohen Maschendrahtzaun in Gruppen beisammen und rauchen. Andere beschäftigen sich mit Computerspielen, die sie auf ihren handgroßen Geräten laufen lassen. Einige Jungen haben ihre Hemden ausgezogen und spielen Basketball.
Lilith kniet neben einer
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