2012- Die Rückkehr
uns alle.«
»Wer hat dir das gesagt?«
»Das spielt keine Rolle. Ich werde einen Spaziergang machen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.«
»Es ist drei Uhr morgens. Hör mir zu, Jacob Gabriel!«
Die Hintertür öffnet sich und schlägt sofort wieder zu.
Dominiques Augen füllen sich mit Tränen, und ihr Herz sehnt sich voller Schmerzen nach dem Sohn, der sich weigert, sie zu umarmen, seit er sieben Jahre alt ist.
Eine tropische Windbö empfängt Jacob, als er hinab zum Strand läuft. Das Licht des zu drei Vierteln vollen Mondes tanzt über den Golf und lässt die sich brechenden Wellenkronen aufschimmern.
Jacob geht auf dem kühlen Sand in die Knie. Schließt die Augen. Versucht verzweifelt, zu meditieren und Kontakt zu seinem Vater aufzunehmen.
Für einen kurzen Augenblick atmet er ruhig, doch dann zieht sich seine Brust zusammen, und heftiges Schluchzen schüttelt seinen Körper. Tränen strömen aus seinen
Augen, als er kopfüber im nassen Sand zusammenbricht.
Hör auf damit! Du musst stark bleiben!
Der Wind lässt nach, und plötzlich ist nur noch ein unheimliches Echo zu hören.
Jacob wischt sich das Gesicht ab und sieht sich suchend nach der Quelle des Geräusches um.
Aus nördlicher Richtung kommt ein schrilles Stöhnen. Er folgt der Küstenlinie eine Viertelmeile weit, und dann entdeckt er sie.
Die Tiere sind überall. Wie gewaltige Baumstämme liegen sie nebeneinander an der Küste. Grauwale und Buckelwale, Pottwale und Blauwale, erwachsene Tiere und Kälber … tote und sterbende.
Jacob geht auf das größte der gestrandeten Säugetiere zu. Der Kopf des Blauwals, der die Größe eines Wohnwagens besitzt, ist bis zur Hälfte im Sand versunken, und dahinter liegt der Rest seines 100 Tonnen schweren Körpers in den Fluten des Golfs.
Der Teenager hebt die Hand, wischt der Walkuh den Sand aus dem geschlossenen Auge und springt zurück, als es sich plötzlich öffnet.
Ein donnerndes Schnauben ertönt, als der sterbende Wal durch sein Blasloch Luft holt.
Einen Augenblick lang betrachten das Tier und der Junge einander. Es ist, als wolle es mit mir sprechen. Vielleicht kann es das ja? Jacob Gabriel schließt die Augen und gleitet in den Nexus.
Olivgrün dämmert die Nacht in seiner Vision. Jeder Muskel seines straffen, eins dreiundachtzig großen, 165 Pfund schweren Körpers scheint zum Leben zu erwachen, in jedem einzelnen Gefäß pulsieren Blut und Adrenalin, und jede Empfindung gewinnt eine ganz besondere Deutlichkeit. Als er aufblickt, sieht er, wie die Sterne
über den Himmel rasen und der ganze Kosmos lebendig wird.
Der Wal stöhnt, und der Atem des sterbenden Tieres hallt in seinem Gehirn wider.
Jacob beugt sich vor, legt beide Handflächen auf den rundlichen Torso und spürt die intensiven Schwingungen, als sich seine Hände in eine Art lebendiges Stethoskop verwandeln. Der Puls des Säugetiers zieht ihn immer stärker zu sich heran, während ein weißer Dunst seinen Geist einhüllt …
… und er eine weitere Vision hat.
Ein düsterer scharlachroter Himmel wirft sein surreales Licht auf ein von Menschen geschaffenes Reservoir, dessen Wasser flüssigem Quecksilber ähneln.
Die exotischen Wasser wirbeln umher. Aus ihrer Oberfläche erhebt sich der vipernartige Torso einer schlangenförmigen Kreatur, breit und lang wie ein Zug. Die Augen des grauenhaften Wesens betrachten Jacob durch goldene, vertikale Schlitze, die von glühend karmesinroter Hornhaut umgeben sind, die eher kybernetisch als organisch wirkt. Die Kiefer öffnen sich und enthüllen Reihen ebenholzfarbener Zähne, die so scharf sind wie Skalpelle. Ein donnerndes Schnauben lässt Jacob zurückspringen, als die Schlange ihren stinkenden Atem durch die Nasenlöcher ausstößt.
Jacob öffnet die Augen. Die Vision ist vorüber.
Der Blauwal ist tot.
28. Oktober 2027
Belle Glade, Florida
Die kakaofarbene Haut und das bis zu den Hüften reichende, gewellte schwarze Haar verleihen den hohen Wangenknochen und den strahlenden Hunahpu-blauen Augen der vierzehn Jahre alten Lilith Eve Robinson einen
ganz besonderen Akzent. Ihr sportlicher Körper ist lang und geschmeidig, und ihre wohlgeformten Brüste sind fest und viel weiter entwickelt als die der meisten anderen Mädchen in ihrer Klasse.
Die heranwachsende Schönheit fährt im Bus alleine nach Hause, wobei sie jedes Mal denselben Sitz am Gang wählt. Jeder heterosexuelle Junge stellt sich vor, er wäre mit Lilith zusammen, aber keiner verabredet sich mit ihr,
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