2012 - Folge 1 - Botschaft aus Stein
gewesen sein. Wie hätte er von seiner Anwesenheit wissen können?
Ericson glaubte nicht, dass diese Leute zurückkommen würden. Trotzdem verharrte er noch eine Weile in seinem Versteck.
9.
Die Sonne stand schon sehr tief und färbte den Himmel blutig rot, als Tom Ericson endlich die Straße zwischen Uxmal und Muna erreichte. Die Gefahr, den Indios zu begegnen, war ihm zu groß erschienen, deshalb hatte er sich nicht an die Piste gehalten, die Branson benutzt hatte, sondern sich im wahrsten Sinn des Wortes durch den Dschungel geschlagen.
Dem Professor war nicht mehr zu helfen gewesen. Das Bild des von den Macheten übel zugerichteten Leichnams würde Ericson bestimmt nicht so schnell vergessen können.
In einigen Verbrecherorganisationen wurden Verräter auf diese Weise hingerichtet, aber das erschien Tom zu weit hergeholt. Vielleicht hatte Branson mit überzogenen Versprechungen zwielichtige Geldgeber an Land gezogen.
Archäologische Fundstücke waren nach wie vor begehrt in bestimmten Kreisen. Doch warum hatte er seinen Fund dann in die Luft gesprengt? Und wie hatten seine Mörder nur Minuten danach vor Ort sein können? Vielleicht konnte ihm die Auswertung der Karte einen Hinweis geben. Aber nicht jetzt. Tom war erschöpft, und nach dem Marsch durch den Dschungel machte er wahrscheinlich auch optisch einen wenig vertrauenerweckenden Eindruck.
Jedenfalls fuhren mehrere Autos an ihm vorbei. Wenn er jetzt noch fünf oder sechs Kilometer bis Muna laufen sollte, würde er erst bei Einbruch der Nacht dort ankommen.
Er blieb stehen, als er das nächste Auto von hinten nahen hörte, und hob den Daumen. Doch der Fahrer gab Gas und rauschte mit aufheulendem Motor an ihm vorbei. Tom hatte plötzlich Dieselgeschmack im Mund. Zehn Minuten später hielt ein Viehtransporter. Ericson war schon angenehmer gefahren als auf der zwar leeren, aber stinkenden Ladefläche, doch als er kurz darauf fast in der Ortsmitte von Muna absprang und der Fahrer ihm ein zahnloses Lächeln für die paar Pesoscheine schenkte, die Tom noch in einer seiner Hosentaschen gefunden hatten, war er ganz zufrieden.
Die Hauswirtin musterte ihn vorwurfsvoll und rümpfte die Nase. »Ocho.« Sie nestelte den Schlüssel vom Bord.
»Si.«
Die Frau verzog nur leicht die Mundwinkel. Als er sich umwenden wollte, schüttelte sie stumm den Kopf. Einen Augenblick später hielt sie Tom einen zweiten, kleineren Schlüssel entgegen. »Für das Gemeinschaftsbad -ist angeschrieben an der Tür. Sie haben es nötig, Senor.«
Obwohl ihm keineswegs danach zumute war, konnte Ericson sich ein Grinsen nicht verkneifen. Die Treppe knarzte noch schlimmer als am Vortag, die Dielenbretter ebenfalls. Womöglich kam es ihm auch nur so vor. Den Schlüssel musste er mehrmals ins Schloss stecken, bis er den richtigen Ansatzpunkt hatte, aber selbst dann konnte er ihn nur mit Gewalt drehen und fürchtete schon, den Bart abzubrechen.
Knarrend schwang die Tür auf. Das Zimmer war einigermaßen düster, weil das Fenster nicht nach Westen ging, außerdem waren die morschen Vorhänge zugezogen. Ein eigenartiger Geruch hing in der Luft. Ein schweres Rasierwasser, hätte Tom behauptet. Dann erst sah er das Chaos.
Jemand hatte sich an seinen Sachen vergriffen und alles, was er in den Taschen zurückgelassen hatte, wahllos übers Bett und den Boden verstreut. Die Schübe waren herausgezogen und hingen weit vorn in den Führungsleisten.
Fluchend hob Tom einige Kleidungsstücke auf. Es war weiß Gott nicht das erste Mal, dass er von Einbrechern heimgesucht wurde, aber Branson hatte sogar noch betont, wie sicher das Haus sei. Es sah allerdings nicht danach aus, als würde etwas fehlen. Was auch? Die Wertsachen trug er am Leib und die Elektronik hatte er mitgenommen.
Von unten erklang lautes Topf klappern. Tom lief den Gang zurück und die Treppe hinab. »Senora!«, rief er.
»Tereza.« Sie stand in einer der Seitentüren und trocknete sich die Hände ab. »Stimmt etwas im Bad nicht?« »In der Acht. War jemand gestern oder heute in meinem Zimmer?« »Niemand, Senor. Das wüsste ich. Probleme?«
»Nein, danke.«
Natürlich hätte sie es gehört, so wie der Bretterboden knarrte. Aber inzwischen war das ohnehin egal. Tom hatte nicht vor, lange hier zu bleiben. Er brauchte Ersatz für sein Satellitentelefon und den Tablet-PC, und beides würde er am schnellsten in Merida bekommen. Gleich morgen früh.
Das Bad erwies sich lediglich als enge Duschkabine, aber Tom musste wenigstens nicht von
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