2012 - Folge 8 - Der zeitlose Raum
Sutherland hatte beim Bau seiner Bunkeranlage auch eine kleine Waffenkammer nicht vergessen. »Ansonsten kommt die hier zum Einsatz. Zumindest haben wir Deckung zwischen den Quadern und können es eine Weile aushalten. Vielleicht so lange, bis Hilfe kommt. Jemand könnte die Notlandung beobachtet und an die Polizei gemeldet haben.«
Das überzeugte nun sogar Abby. »Dann los!«
Es wurde ein Wettlauf zu dem flachen Hügel, auf dem jene Megalithenstrukturen aufragten, die nach landläufiger Vorstellung als das Stonehenge galten. Dass die Anlage weit mehr beinhaltete als nur diese beiden Kreise, wussten viele gar nicht.
Da der Van nicht über die hohe Böschung hinweg kam und die Indios die Verfolgung zu Fuß fortsetzen mussten, entschieden die Gefährten das Rennen knapp für sich. Tom zwickte die Drähte der Umzäunung durch und scheuchte Abby, Jandro und Maria Luisa durch die Lücke und dann den Hügel hinauf. Auf der anderen Seite liefen die Indios noch auf den Hügel zu, gaben jetzt aber die ersten Schüsse ab. Ein paar der Kugeln hieben funkenschlagend in den Drahtzaun, zwei oder drei trafen einen der vorderen Steinblöcke und jaulten als Querschläger davon.
Kulturbanausen!, dachte Tom, während er neben den beiden Frauen und dem Jungen hinter einem der inneren Steine in Stellung ging und die Pistole auf die Indios richtete.
Er würde nicht einfach drauflos ballern, aber er würde auch nicht zögern, seine Haut so teuer wie möglich zu verkaufen – und vor allem würde er alles tun, um die Menschen, die mit ihm in diese Lage geraten waren, zu schützen.
»Stehen bleiben!«, schrie er den Indios entgegen.
Zur Antwort fiel ein Schuss, der am äußeren Steinkreis abprallte.
Tom bewies, dass er nicht spaßte. Seine Kugel war besser gezielt. Er hörte einen der Indios, den kleinsten, gepresst aufschreien, während der Mann sich im Laufen krümmte, an die Schulter fasste, ins Stolpern kam und hinfiel. Es folgte ein Wutschrei, ausgestoßen von dem glatzköpfigen Anführer dieser Brüder, von dem Tom, wusste, dass er Pauahtun hieß.
Er wollte ihn gerade aufs Korn nehmen, da alarmierte ihn ein Ruf, der hinter ihm erklang.
» Jandro!«
Tom fuhr in der Hocke herum und sah auf den ersten Blick, was Maria Luisa so erschreckt hatte. Ihn faszinierte es im ersten Moment eher, als dass es ihm einen Schrecken einjagte. Und auch Alejandro schien diese Faszination mit ihm zu teilen.
Der junge Mann hielt seinen Arm mit dem mysteriösen Armreif angewinkelt und ruhig, und Tom konnte erkennen, dass die drei Ringe wieder einen Pfeil bildeten … der auf einen der Durchgänge deutete, die die noch aufrecht stehenden Megalithen bildeten. Und der jetzt tatsächlich wie ein Tor wirkte – ein Tor in eine andere Welt!
Nun brüllte auch Tom: » Jandro, nein!«
Als der Junge trotzdem wie magisch angezogen weiter auf das Phänomen zuging, sprang Tom auf, hastete auf ihn zu und warf sich nach vorn, um ihn zurückzuhalten. Dabei verlor er die Pistole.
Im selben Augenblick, da er Alejandro berührte und seine Hand in dessen Jacke krallte, hatte der die Grenze erreicht. Und verschwand. Zusammen mit Tom …
»Was … was ist passiert?«, flüsterte Maria Luisa. Es klang beinahe wie ein Wimmern.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Abby tonlos.
Was es auch gewesen war, jetzt war es vorbei, nicht mehr zu sehen – und die Indios waren da!
Alles ging irrsinnig schnell. Gestalten in teuren Anzügen kletterten am Fuß des Hügels durch das Loch in der Umzäunung. Einer war, von Tom angeschossen, zurückgefallen, ein anderer – ein Glatzkopf – legte sich besonders in Zeug.
Abby fragte sich, wie es anging, dass niemand außer ihnen hier war, dass noch nicht einmal ein Auto vorbeifuhr. Und es mussten doch Leute in Stonehenge arbeiten, Kassenpersonal, Fremdenführer, Aufpasser …
Ob diese Kerle sie alle umgebracht hatten?
Abbys Blick fiel auf Toms Pistole, die einsam und verlassen im Gras zwischen den Steinen lag. Sie mochte Waffen nicht. Es fiel ihr schwer, sie anzufassen, geschweige denn, eine abzufeuern, seit dieser … Sache mit ihren Eltern. Sie war noch ein Kind gewesen, als …
Ein Schuss krachte. Ein Querschläger heulte davon.
Und plötzlich war die Pistole aus dem Gras verschwunden.
Abby schreckte hoch.
Maria Luisa hielt die Waffe in ihren zierlichen Händen. Es war offensichtlich, dass sie noch nie eine Pistole in der Hand gehabt hatte. Aber, das musste Abby ihr zugestehen, sie versuchte wenigstens, etwas zu
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