2012 - Folge 9 - Die Weltuntergangsmaschine
flüsterte sie in die Schwärze.
Keine Antwort, kein Laut. Oder doch …?
Zitternd drückte Sophie den Knopf, der ihre Lampe aufleuchten ließ.
Der Lichtstrahl erfasste ein Gesicht, das einerseits so grauenhaft verzerrt war und in das andererseits die Schatten so tiefe zusätzliche Linien hineingruben, dass es kaum noch als das von Bruno Dallocchio zu erkennen war.
Genau wie seine Stimme nicht mehr seine eigene war, als er wie ein Hund hechelnd und geifernd und wie ein Raubtier grollend sagte: »Hab ich dich.«
Maria Luisa sah Tom, dem Padre und dem Uniformierten nach, wie sie durch den Park davoneilten und im Dunkeln verschwanden. Dann erst wandte sie sich um und setzte den Weg zum Kloster fort. Voller Unruhe und Angst.
Die Männer hatten ihr nicht gesagt, was im Argen lag. Aber sie wusste, welcher Profession Don Phantasos nachging. Sie wusste außerdem, dass Tom an diesem Ort hier einmal etwas erlebt haben musste, unter dem er heute noch litt – er war gestern Nacht von fürchterlichen Träumen gequält worden, als sie neben ihm zu schlafen versucht hatte. Am Morgen hatte er zwar nicht darüber gesprochen, schien sich nicht einmal daran zu erinnern, aber aus dem, was er im Schlaf gekeucht hatte, konnte Maria Luisa sich ein wenig zusammenreimen.
Und sie musste sich eingestehen, ganz froh zu sein, keine Einzelheiten darüber zu wissen. Was ihre Sorge um Tom natürlich um keinen Deut minderte.
Liebst du ihn?, fragte sie sich im Stillen, während sich vor ihr das päpstliche Kloster aus der Dunkelheit schälte. Zwei Stimmen schienen sich hinter ihrer Stirn in dieser Frage zu vereinen – die ihrer Gedanken, die von Toms Exfrau Abby … und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie noch eine dritte Stimme heraushörte.
»Mama?«, flüsterte sie, langsamer werdend.
Keine Antwort. Natürlich nicht.
Obwohl … sie sprach immer noch mit ihrer Mutter, die vor langer Zeit gestorben war, und sie hatte stets das Gefühl, Mama hörte ihr zu. Nur geantwortet hatte sie noch nie. Jedenfalls nicht mit Worten. Aber bemerkbar machte sie sich manchmal – in Form einer Kraft, von der Maria sich dann bestärkt fühlte.
Liebte sie Tom Ericson? Sie horchte in sich hinein und in die Nacht hinaus.
»Ich …«
Ich glaube schon, wollte sie eigentlich sagen. Aber dann wurde doch etwas anderes daraus, weil sie in diesem Moment wieder jene Kraft in sich spürte, die sie über eine entscheidende Schwelle trug, hinter der sie Entschlossenheit fand.
»Ja, ich liebe ihn.«
Sie ging durchs Kloster. In einem der Flure hallte ein halblautes Gebet wider, das hinter geschlossenen Türen gesprochen wurde. Dann erreichte sie den Gästetrakt, in dem außer ihr, Tom und Jandro im Moment niemand wohnte. Deshalb wusste sie auch gleich, dass es nur ihr Bruder sein konnte, den sie da wimmern hörte.
Du hättest ihn nicht allein lassen dürfen!, schalt sie sich, zur Tür rennend, hinter der sie ihn schlafend zurückgelassen hatte. Es war egoistisch von dir, nur an dich zu denken und mit Tom zu gehen, anstatt …
Sie stieß die Tür auf. »Jandro!«
Ihr Bruder kauerte in einer Ecke. Tränen glänzten auf seinem Gesicht. Seine Augen waren unbeweglich auf den Tisch in der Mitte des kleinen Zimmers gerichtet.
Maria Luisa erstarrte. Auch ihre Augen hefteten sich auf den Tisch – oder vielmehr auf das, was darauf stand.
Ein kugelförmiges Ding, zusammengesetzt aus vielen Teilen, das sich leicht bewegte und summte, als rumorte darin ein Bienenvolk.
»Fürchte dich nicht«, sagte Don Phantasos, in dessen Hand der Scheinwerfer wie ein Spielzeug aussah. Der Lichtkegel, der davon abstrahlte, wanderte von links nach rechts und bohrte Löcher in die Dunkelheit, mit der die Nekropole angefüllt zu sein schien.
»Du hast gut reden«, erwiderte Tom. Er versuchte seine Angst mit Misslaunigkeit zu kaschieren. »Warst du schon mal … besessen?«
Der Padre warf einen kurzen Blick auf Luca Gerber, den Schweizergardisten in ihrer Begleitung. Der junge Mann wirkte fassungslos angesichts ihres Gespräches. »Ich muss gestehen, nein.« Don Phantasos schüttelte den Kopf. »Ich scheine immun dagegen zu sein. Vielleicht hat mir der Herr deshalb diesen Weg bestimmt.«
»Dann kannst du nicht mitreden«, erklärte Tom. »Das ist ein Gefühl wie …« Jetzt schüttelte er den Kopf. Nein, dafür gab es nicht nur keine Worte; es ließ sich nicht mal annähernd beschreiben, wie es war, wenn diese … fremde Macht in einem war, diese Kälte, die keiner realen
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