2012 - Folge 9 - Die Weltuntergangsmaschine
gebeugt, und Don Phantasos war angetreten, um ihn aus den Fängen des Bösen zu befreien. So wie er ihnen jetzt Dallocchio entreißen wollte.
» Vade, satana, inventor et magister omnis fallaciae, hostis humanae salutis!«, schlug Christofides’ Stentorstimme Dallocchio entgegen, und der wand sich darunter, entweder unter ihrer gewaltigen Lautstärke, die auch Tom in den Ohren dröhnte, oder unter der Macht der Worte. » Da locum Christo, in quo nihil invenisti de operibus tuis …«
Tom hörte die Worte wie aus zwei Mündern – einmal jetzt, da sie Dallocchio galten, und einmal in der Erinnerung, als Don Phantasos sie ihm damals zugebrüllt hatte.
»Hol das Mädchen da weg!«, unterbrach sich der Padre kurz, ehe er fortfuhr: » Humiliare sub potenti manu Dei …«
Tom nickte und wagte sich weiter vor. Als er nur noch vier Schritte von dem Altar mit dem Mädchen darauf entfernt war, überwand Dallocchio den Bann, unter den Don Phantasos ihn gestellt hatte, und wollte sich zähnefletschend über den Opferstein hinweg auf seine Gegner stürzen. Tom machte sich bereit, den Besessenen gebührend in Empfang zu nehmen.
» Contremisce et effuge …«
Von hinten trafen ihn ein paar kalte Tropfen einer Flüssigkeit im Nacken. Den größten Schwall bekam jedoch Dallocchio ab, der einen Fuß schon auf die Altarkante gestellt hatte und zum Sprung ansetzte. Tom sah, wie das Weihwasser in die verzerrte Fratze klatschte. Er hörte, wie Dallocchio aufschrie und sich die Hände vors Gesicht schlug. Dann fiel der Dottore nach hinten und geriet aus dem Lampenschein. Dass er sich am Boden wand, konnte Tom nur noch erahnen.
»Nimm den Dolch!«, dröhnte Christofides’ Stimme, ehe sie mit der Wucht einer Tsunamiwelle wieder ins Lateinische umschlug: »… invocato a nobis sancto et terribili Nomine Iesu, quem inferi tremunt …«
Dallocchio hatte den heidnischen Opferdolch fallen gelassen, als er sich reflexhaft ins Gesicht griff. Tom sah die Waffe im Streulicht einer Lampe neben dem Altar liegen. Er bückte sich, griff danach.
Hinter dem Altar hervor schnellte Dallocchios Fuß auf ihn zu! Tom wich zurück. Zu spät, zu langsam. Die Stiefelspitze schrammte ihm übers Ohr. Er hatte das Gefühl, es würde ihm abgefetzt.
»… cui Virtutes caelorum et Potestates et Dominationes subiectae sunt …«
» AARRRGGHH!«
Abermals ging Dallocchio zu Boden, sich um die eigene Achse drehend, die Hände auf die Ohren gepresst.
Tom schnappte sich den Dolch und warf ihn in die Dunkelheit hinter sich, erfüllt von Ekel und altem Entsetzen. Weg, nur weg damit. Nie wieder wollte er so ein Ding in der Hand halten.
»Das Mädchen!«, rief Christofides.
»Ja«, bestätigte Tom. »Ja, doch, Mann!« Er kam hoch, beugte sich über die reglose junge Frau, versuchte seine Arme unter ihren Körper zu schieben.
Da wurde er selbst von Armen gepackt, die unversehens über den Altar herübergriffen und ihn über das Mädchen hinwegzerrten. Dann schlangen sie sich um seinen Hals und Kopf. Er spürte Dallocchios Hände und wusste, was der andere vorhatte, was ihm gleich geschehen würde.
Schon spürte er den Druck auf seine Nackenwirbel, wie sie auf unnatürliche, tödliche Weise gegeneinander verdreht werden sollten. Dallocchio versuchte ihm das Genick zu brechen, und er tat es mit der Kraft eines Berserkers – und vielleicht auch mit dem Zorn eines Mannes, dem der Mensch ausgeliefert war, der ihm das Liebste auf Erden genommen hatte.
» Sanctus, Sanctus, Sanctus Dominus Deus Sabaoth!«
Tom hörte und spürte das Knirschen seiner Wirbel direkt in seinem Kopf, dazu einen dumpfen Schmerz.
Dann war es vorbei.
Vielleicht wäre es klüger gewesen, die Kugel im Kloster zurückzulassen. Vielleicht aber auch gefährlich – für das Kloster und die Unbeteiligten dort. Und vielleicht würde noch irgendetwas passieren, weshalb sie gar nicht mehr zum Kloster zurückkehren konnten.
Inzwischen hatte Maria Luisa es sich angewöhnt, stets mit dem Schlimmsten zu rechnen. Das war kein großer Unterschied zu ihrem früheren Leben. Nur die Art des »Schlimmsten« unterschied sich heute von früher.
Vor Tom hatte es immer mit ihrem Vater zu tun gehabt. Heute, irgendwie, mit Tom … Es war jedoch auch eine andere Art von »schlimm« – früher war es einfach nur schlimm gewesen, heute dagegen – Maria staunte, als sie sich das eingestand – auch spannend und aufregend.
Komisch, wie sie ihr Leben schon unterteilte in die Zeit »vor Tom« und »mit
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