2012 - Schatten der Verdammnis
Tennisschuhs an. Er wirft einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass sie allein sind, dann bückt er sich und leckt Mick am Ohr.
Er hört, dass Marvis seine Runde macht. »Träum schön, Süßer.« Er eilt hinaus.
Das Türschloss klickt zweimal. Die Lichter in der Station werden schwächer.
Micks Augen öffnen sich.
Er taumelt zum Waschbecken und wäscht sich mit kaltem Wasser Gesicht und Ohren. Leise fluchend presst er einen Daumen auf die blutende, geschundene Vene. Dann, als er spürt, wie er in einem Nebel versinkt, lässt er sich schmerzhaft auf die Knie fallen und geht in die Liegestütz.
Zwei Stunden lang zwingt Mick seinen Körper zu einem qualvollen Ritual. Liegestützen, Situps, Armkreisen, auf der Stelle laufen, alles, was ihm einfällt, um seinen Stoffwechsel in Gang zu halten, damit der Tranquilizer seine Wirkung verliert, bevor er sein Zentralnervensystem überwältigen kann.
Von den drei Spritzen ist die am Morgen immer am schlimmsten gewesen. Foletta hat sie selbst verabreicht und seinen Patienten beobachtet, während er Mick leise ins Ohr säuselte, um ihn zu verspotten. Sobald die Droge wirkte, hat er Mick in einen Rollstuhl gesetzt und ihn auf seiner morgendlichen Visite durch die Stationen geschoben, um den anderen Insassen ein warnendes Zeichen zu geben, dass er keinerlei Auflehnung duldet.
Die nächtlichen Körperübungen nach der dritten Spritze waren die Mühe wert. Mick hat festgestellt, dass er die Wirkung der Droge rascher überwinden kann, wenn er seinen Stoffwechsel anregt. So ist es ihm allmählich gelungen, wieder zu klarem Verstand zu kommen. Am vierten Morgen hat er sein mentales Gleichgewicht so weit wiedergewonnen, dass er sich einen Plan ausdenken konnte.
Von diesem Moment an hat er sich so benommen wie ein hirnloser Idiot. Wenn die für die sechste Etage eingeteilten Pfleger morgens in seine Zelle kamen, lag er
scheinbar völlig betäubt auf dem Boden und war zu keiner zusammenhängenden Bemerkung zu bewegen. Verärgert stellten die Pfleger fest, dass sie gezwungen waren, ihren hilflosen Patienten zu füttern und ihm voll Ekel die verschmutzte Kleidung zu wechseln. Nach einer Woche blieb Foletta nichts anderes übrig, als Micks Dosis zu reduzieren. Statt drei Injektionen gibt es nun nur noch zwei, am Nachmittag und am Abend.
In der vergangenen Woche ist dann eine Flut anderer Verpflichtungen über Foletta hereingebrochen. Er hat es aufgegeben, Mick zu beaufsichtigen und seine Betreuung den Pflegern überlassen.
Zum ersten Mal in den elf Jahren seiner Gefangenschaft hat sich die Überwachung, der Michael Gabriel rund um die Uhr ausgesetzt war, gelockert.
Raumflugzentrum Goddard der NASA Greenbelt, Maryland
NASA-Direktor Brian Dodds blickt ungläubig auf den riesigen Computerausdruck, der auf seinem Schreibtisch ausgebreitet ist. »Erklären Sie’s mir bitte nochmal, Swicky.«
Gary Swickle, Assistent von Dodds, deutet mit seinem dicken Zeigefinger auf das Schachbrettmuster aus dreizehn rechteckigen Kästen, die sich kontinuierlich über Tausende von Seiten hinziehen. »Das Radiosignal besteht aus dreizehn verschiedenen harmonischen Schwingungen, die durch diese dreizehn Säulen dargestellt sind. Jede dieser Schwingungen kann auf jeweils zwanzig unterschiedlichen, aufeinander folgenden Frequenzen wiedergegeben werden. Daraus ergibt sich eine mögliche Kombination von zweihundertsechzig verschiedenen Tonelementen, das heißt Befehlen.«
»Aber Sie sagen, es gibt kein sich wiederholendes Muster?«
»Das gilt nur für den Anfang.« Swickle sucht nach der ersten Seite des Ausdrucks. »Zu Beginn der Übertragung ist die Schwingung ganz einfach. Auf einer einzigen Frequenz werden mehrere Töne ausgestrahlt und ständig wiederholt. Und jetzt schauen Sie mal hier. An der Siebzehn-Minuten-Marke wird alles anders. Alle dreizehn harmonischen Schwingungen und zwanzig Frequenzen kommen plötzlich auf einmal ins Spiel. Von diesem Punkt an weist das Signal keinerlei Wiederholungen mehr auf. In den verbleibenden hundertfünfundachtzig Minuten werden alle zweihundertsechzig Kombinationen von Soundbytes verwendet, was auf eine stark strukturierte Mitteilung verweist.«
»Und Sie sind absolut sicher, dass in den ersten siebzehn Minuten kein Muster existiert? Keine mathematischen Gleichungen? Nichts, was auf irgendwelche Anweisungen zur Entschlüsselung hindeuten würde?«
»Nichts.«
»Verdammt.« Dodds reibt sich die blutunterlaufenen Augen.
»Woran denken Sie,
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