2012 - Schatten der Verdammnis
los!«
Dominique hebt den Kopf und sieht Rabbi Steinberg und seine Frau kommen.
Raymond hält ihren Arm fest. »Verschwinden Sie, das geht Sie einen Scheißdreck an!«
»Lassen Sie sie los, sonst rufen wir die Polizei.« Mindy Steinberg hält ihren Notrufsender in die Höhe.
Drohend geht Raymond einen Schritt auf das Ehepaar zu. Dominique zerrt er mit sich.
»Machen Sie keinen Unsinn«, sagt Steinberg und deutet auf die Überwachungskameras.
»He, Ray...«
Raymond dreht sich um.
Die Spitze von Dominiques spitzem Absatz landet mit voller Wucht auf seinem großen Zeh. Mit einem qualvollen Aufschrei lässt er sie los. Sofort landet ihre Handkante direkt auf seinem Adamsapfel und bringt ihn zum Schweigen.
Nach Luft ringend, umklammert Raymond seine Gurgel. Während er auf die Knie sinkt, wirbelt Dominique herum, bereit, ihm mit der Ferse in den bloßen Nacken zu treten.
»Hör auf, Dominique...« Steinberg packt sie am Arm, bevor sie den Karate-Tritt ausführen kann. »Überlass das der Polizei.«
Mindy tippt den Code ein, und die drei verschwinden im Aufzug.
Mühsam kommt Raymond auf die Beine und dreht sich zu Dominique um. Seine Augen sind irre, sein Mund formt keuchend Laute. Als die Aufzugtüren sich zu schließen beginnen, bringt er das Wort >Gabriel< heraus und fährt sich mit dem ausgestreckten Zeigefinger über die Gurgel.
11
18. November 2012 Miami, Florida
D ie Gruppentherapieräume des Psychiatrischen Zen trums von Südflorida befinden sich im zweiten Stock zwischen dem kleinen Kinosaal und dem Computerraum. Gegenüber ist der Eingang zum Sportcenter.
Dominique sitzt an der Hinterwand von Raum 3B und verfolgt abwesend die nachmittägliche Gruppentherapiesitzung von Dr. Blackwell, als sie sieht, wie ein Pfleger den halb bewusstlosen Michael Gabriel in den Kinosaal schiebt. Sie wartet, bis der Pfleger verschwunden ist, dann schleicht sie sich aus dem Zimmer.
Im Kinosaal ist es dunkel. Das einzige Licht kommt von dem übergroßen Fernsehbildschirm. Acht Patienten haben sich auf den drei Dutzend Klappstühlen verteilt und sehen den neuesten Film der Star-Trek-Serie.
Der Rollstuhl steht in der letzten Reihe. Dominique nimmt einen Stuhl und schiebt ihn neben Mick, der zusammengesunken und zur Seite geneigt dasitzt. Nur ein Gurt um seine Brust verhindert, dass er vornüber aus dem Rollstuhl fällt. Die dunklen, einst so leuchtenden Augen sind nun leblose schwarze Löcher, in denen sich
das Licht des Bildschirms spiegelt. Micks langes braunes Haar ist zu einem Pferdeschwanz gebunden. Dominique riecht etwas Haaröl, dann steigt ihr der eklige Geruch seiner verschmutzten Kleider in die Nase. Ein dichter Flaum, fast schon ein Bart, verdeckt fast die gesamte Narbe auf dem Unterkiefer.
Foletta, du Schwein. Sie zieht ein Papiertaschentuch aus der Jacke und tupft den Speichelfaden ab, der Mick von der Unterlippe herabhängt. »Mick, ich weiß nicht, ob du mich verstehen kannst, aber ich vermisse dich, ganz ehrlich. Ich finde es furchtbar, was Foletta dir angetan hat. Alles, was du mir über ihn erzählt hast, stimmt, und ich fühle mich ganz elend, weil ich dir nicht geglaubt hab.« Sie legt ihre Hand auf seine. »Ach, wenn du mich doch verstehen könntest.«
Zu ihrer Überraschung dreht Micks Hand sich um. Seine Finger flechten sich in ihre.
»O mein Gott«, flüstert sie.
Mick zwinkert.
Sie kann ihre Erregung kaum im Zaum halten. »Mick, ich muss dir so viel erzählen...«
»Pssst.« Die Augen bleiben ausdruckslos.
Sie beugt sich unauffällig vor und tut so, als verfolge sie interessiert den Film. »Raymond, der Wärter, der dich angegriffen hat, hat versucht, mich zu vergewaltigen. Momentan ist er vom Dienst suspendiert, aber ich hab gehört, dass er womöglich schon nächste Woche wieder zur Arbeit kommt.« Sie drückt ihm die Hand. »Du weißt doch noch, wie wir über SOSUS gesprochen haben? Ich hab meinen Vater dazu gebracht, damit das Gebiet im Golf von Mexiko zu überprüfen, von dem du mir erzählt hast. Du hattest Recht, Mick. Da drunten ist tatsächlich was. Es steckt eineinhalb Kilometer tief im Meeresboden. Iz hat mir versprochen, dass er es sich anschauen wird.«
Mick drückt ihre Hand fester. Ohne die Lippen zu bewegen, flüstert er: »Zu gefährlich.«
»Zu gefährlich? Wieso? Was meinst du denn, was da drunten ist?« Sie lässt seine Hand los, weil sie weiß, dass Dr. Blackwells Therapiesitzung bald zu Ende ist. »Mick, Foletta hat mich nach Strich und Faden belogen. Ich hab
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