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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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Weidenbrücke, die über einen stillen klaren Teich führte, der im grüngoldenen Licht leuchtete, als hätte man Pfefferminzlikör hineingegossen. Von der Mitte der Brücke konnte ich Klippen aus gerieftem Achat sehen, die sich dreißig Seillängen weit in die Tiefe zogen. Ich glaubte unter dem Wasser auf den Klippen Bewegung zu sehen; dann entdeckte ich, dass sie von winzigen weißen Krabben bedeckt waren, die vor dem Licht davonhuschten.
    Sechzig Schritt hinter der Brücke endete der Weg vor einem alten Erdrutsch. Die Diener breiteten die Matten aus und setzten michab. Maske-von-Jaguar-Nacht fuhr mit dem Finger über eine fleckige, unebene Wand neben dem Felssturz. Sie sah nicht anders aus als die anderen. Alligator-Wurzel blickte sich ein wenig besorgt um und hob erst den einen, dann den anderen Fuß vom kalten Boden. Mit einem Holzhammer schlug der Vorarbeiter lederumwickelte Feuersteinkeile in einen senkrechten Riss. Ich rückte mein Bambusbein zurecht und rieb das eingeölte Narbengewebe an der Seite meines Stumpfes. Es blätterte ab und wurde wund. Ein Flecken Fackellicht beschien eine Kolonie winziger weißer, augenloser Molche auf einem mit weißem Moos bewachsenen Felsen. Ich hörte leises Knirschen, und die Mauer schien auf mehreren Fingerbreiten einzubrechen. Wolken aus Kalkstaub stoben auf. Die Arbeiter setzten ihre Stäbe an und stemmten sich dagegen. Zuerst hörte man nur das holzige Geräusch von berstendem Gips, doch plötzlich schwang der Brocken nach innen. Er musste irgendwo ein Gegengewicht haben. Dann hörte ich ein hohes KRIIIIIEEEEE N, das ich als Schauer eisiger, scharlachroter Wellen sah, und das Zischen alter, nie geatmeter, mineralreicher Luft.
    Maske-von-Jaguar-Nacht warf eine Fackel mit drei Köpfen durch die Spalte, um die Luft zu prüfen. Licht strahlte durch den Staub zu uns.
    Wir schickten einen Diener zu den Wächtern zurück. Er sollte sich vergewissern, dass dieser Große Vater Hitze gestorben war. Obwohl wir es genau wussten, musste man sichergehen, so wie der islamische Monat nicht beginnt, ehe sie tatsächlich den neuen Mond sehen. Ich ließ alle ein wenig zurücktreten. Nur Hun Xoc winkte ich zu bleiben.
    Du musst eine Entscheidung treffen, bedeutete er mir durch Zeichensprache. Er war der Einzige, der so mit mir reden durfte. Seine Geste bezog sich auf meine Entscheidung, entweder über der Erde zu bleiben und die Verteidigung von Ix zu leiten, oder nach unten zu gehen, um Koh zu suchen.
    Ich erwiderte, dass ich natürlich nach unten gehen würde. Zwar sei dieses Vorhaben wahrscheinlich vergebens, das andere aber völlig aussichtslos.
    »Dann entfacht die Feuer, aber nehmt die Menschen mit euch«, sagte ich.
    Ich hatte genug Schmutziges getan, dass es für mehrere Lebensalter ausreichte, und wollte nicht mehr Völkermord auf mich laden als unbedingt nötig. Hun Xoc sollte dafür sorgen, dass alle Familien, die wegziehen wollten, sich nachts über Flussstraßen aus Ix davonstehlen konnten. Dann sollte er sie mit den Resten von Kohs Kult nach Norden führen. Im Idealfall würde Abgetrennte Rechte Hand, wenn er hier einrückte, nur eine notleidende Kollaborateursriege und jede Menge Holzkohle vorfinden.
    »Nein, ich will nicht leben und eine Windel tragen«, sagte Hun Xoc.
    »Ich plane den Auszug, aber ich bleibe bei dir.«
    Ich versuchte es ihm auszureden, aber mir fehlten die Mittel, um ihm etwas zu befehlen. Wenn man solch einen Todesmarsch im Hinterkopf hatte, war es schwer, vernünftig zu reden. Mir kam es vor, als wären wir in irgendeinem alten Kriegsfilm und müssten gleich aus dem Flugzeug springen. Hun Xoc wiederholte immer wieder, wie unbedingt gern er mit dem Schiff untergehen sollte. Schließlich gab ich ihm mein Okay.
    Man erwartete von mir, dass ich den Spalt als Erster durchkletterte. Ein bisschen mulmig war mir schon, aber ich humpelte durch die Felszacken in die Dunkelheit. Einen Moment lag fragte ich mich, ob sie hinter mir die Öffnung einfach wieder verschließen würden, damit ich in der Finsternis den Verstand verlor und starb, während ich an meinen eigenen Zehen kaute. Doch sie drängten sich nach mir in die Kluft. Die Träger reichten ihre schweren Bündel von Hand zu Hand herein.
    Als Erstes sah ich dreizehn im Fackellicht aufstrahlende Skelette, in die eigene Haut schrumpfverpackt. Sie lagen vor meinen Füßen auf dem Höhlenboden, umgeben von Hirnkorallenstückchen und Rochenstacheln. Sie waren die Arbeiter und Diener gewesen, die beimletzten Ritual

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