2017 - Das Kind und der Pflanzenvater
und sie wollte sich unbedingt ablenken.
Zudem mußte sie ständig niesen, weil unablässig ein stark duftender Blütenstaub herabrieselte, von wo auch immer er kommen mochte. „Nein, das lasse ich nicht zu!" schnaubte Mondra. „Vorher stelle ich das Ding hier auf höchste Leistung und brenne alles nieder!" Sie holte tief Atem und schrie: „Hörst du, Arystes, ich gehe nicht ohne mein Kind. Wenn du es mir nicht sofort überbringst, werde ich hier verdammt noch mal eine Menge Zerstörung anrichten, bis du uns drei endlich gehen läßt! Ich habe es satt!"
„Bravo", lobte Darla ironisch mit einem erschöpften Lächeln. „Jetzt ist er bestimmt verhandlungsbereit."
Die grüne Wand rückte unaufhaltsam näher auf die zwei Frauen zu.
Einen solchen Aufruhr hatte es im Wald tatsächlich noch nie gegeben. Nicht nur der M'Hauny-Honig, auch die Angst, zu spät zu kommen, beflügelte Yhata-Satnakys Schritte.
Bisher war der alte Mönch noch keinen anderen Mönchen und Nonnen begegnet. Er nahm an, daß sie überall durch den Wald irrten und die Ordnung wiederherzustellen versuchten.
Es war nicht schwer, den richtigen Weg zu finden. Der alte Mönch spürte das Vibrieren der Pflanzen, ihre immer größere Unwilligkeit, vor ihm zurückzuweichen, je näher er den Fremden kam. Es fehlte nicht viel, und sie sahen ihn noch als Feind an!
Was taten diese Eindringlinge nur? Richteten sie etwa Waffen gegen den Wald? Was für törichte Narren!
Schnell, schnell, alter Dummkopf! redete Yhata-Satnaky auf sich ein. Es ist noch schlimmer, als ich dachte!
Während er ging, lutschte er die letzten Tropfen des stark haftenden Honigs von seiner Hand und fühlte dankbar den Nektar wie warmes, flüssiges Gold durch seine Adern rinnen. Wahrscheinlich leuchtete er schon von innen heraus, vielleicht wurde er sogar wieder zu einem wirklich blauen Blond.
Ich werde es schaffen, ja, ganz bestimmt, sprach er sich Mut zu. ESTARTUS Segen ist mit mir.
Macht keine Dummheiten, ihr Fremden, ich bin gleich bei euch.
„Mondra, ich sehe eine Lücke! Schnell, folg mir!" Die Stimme der Ärztin klang eine Spur zu hoch; die unangenehme Situation zerrte an ihren Nerven. „Darla, das ist bestimmt eine Falle!"
„Lassen wir's drauf ankommen!"
Die beiden Frauen rannten durch eine Lücke, die sich für wenige Sekunden gebildet hatte. Hinter ihnen schnappte sie bereits wieder zu. Sie kamen auf einer Art Lichtung heraus, auf der nichts wuchs, weder Gras noch Moos und schon gar kein Buschwerk. Kleine Steine knirschten unter den Stiefeln der Frauen. Die nächsten Bäume waren gut zehn Meter entfernt, und sie atmeten erleichtert auf. „Endlich wieder etwas Luft!" keuchte Mondra. „Ja, wenn nur dieser ekelhafte Blütenstaub nicht überall wäre!" Darla nieste explosionsartig, ihre Augen tränten. „Macht dir das denn gar nichts aus?"
„Ich weiß nicht. Ich bin wohl von früheren Einsätzen her etwas zu sehr abgestumpft."
„Oder du hast beneidenswerte Antikörper ohne Überreaktion entwickelt."
Die zwei Frauen blieben stehen und sahen sich um. „Diese Lichtung ist mir unheimlich", sagte Mondra leise. „Das ist sicher nichts Normales."
Rings um sie herum sah es überall gleich aus: eine grüne Wand, die sich nach oben erhob. Alle Einzelheiten, die sie erkennen konnten, verschwammen zu einer einzigen Masse. Zu Gesicht bekamen sie von den Bewohnern des Waldes nur huschende Schatten; sie zeigten sich nie in voller Größe. „Da muß man ja klaustrophobische Zustände kriegen", murmelte Darla. „Ich wünschte, sie würden uns einfach rauslassen und wir könnten gehen."
„Ich gehe nicht ohne meinen Sohn", Wiederholte Mondra eisern. „Vielleicht merken sie das und ermöglichen uns deswegen keinen Fluchtweg."
„Ich mache bald meine Drohung wahr, Darla, wenn sich jetzt nichts tut."
Es tat sich was; anscheinend wurden sie sehr gut verstanden. Auf einmal Schossen aus allen Richtungen Würgepflanzen auf die zwei Frauen zu, rasselten über die kleinen Steine und umringelten ihre menschlichen Opfer in Sekundenschnelle.
Fast reflexartig begannen die beiden Frauen zu schießen. Sie konnten die .Hand mit der Waffe kurzzeitig befreien, aber schon zischte der nächste Pflanzententakel heran. Die Pflanzen zogen ihren Würgegriff langsam zu.
Die Frauen wehrten sich mit der Kraft der Verzweiflung; Mondra gelang es mit dem Daumen, die Einstellung am Strahler zu ändern, und gab Dauerfeuer, ohne zielen zu können, in der Hoffnung, nicht versehentlich ihre Gefährtin zu
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