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2033 - Tod im Türkisozean

Titel: 2033 - Tod im Türkisozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Schwester in Paumyr. Du warst Fischerin, nicht wahr? Und danach warst du Pflanzerin. Vielleicht müssen Fischer und Pflanzer träumen. Aber wir Paumyr-Sprecher sind für etwas anderes zuständig. Für Erkenntnis und Wissen. Es gibt hier keine Schlafmuscheln, und es gibt hier keine Schlafblüten. Paumyr selbst ist unsere Muschel. Paumyr selbst ist unsere Blüte."
    „Und wohin gehen unsere Träume?"
    „Sie gehen direkt zu Paumyr. Sie kehren zu Paumyr zurück. So wie die Traumperlen ja auch. So wie die Traumknospen."
    „Traumknospen?" fragte Jamaske verständnislos.
    Willrud lachte. „Du hast es wirklich nicht bemerkt, Jamaske? Zwischen den Fruchtstengeln der Schlafblüten wachsen Traumknospen heran. Und wenn sie kräftig genug sind, werden sie von der Frau des Großpflanzers hinab in die verbotenen Stollen gebracht."
    „Von Losdui?"
    „Heißt sie so? Ich kenne sie nur als Hegerin der Knospen."
    „Ich muß noch vieles lernen", sagte Jamaske. „Wie blind bin ich eigentlich gewesen?"
    „Nicht blind, Schwester in Paumyr. Nur unwissend. Und das kannst du ändern."
     
    *
     
    Jamaske hatte immer geglaubt, daß Paumyr-Sprecher im Namen von Paumyr sprachen. Dabei war es genau umgekehrt: Paumyr-Sprecher sprachen zu Paumyr. Das war ihre wichtigste Aufgabe.
    In den Kavernen des endlosen Disputs taten sie periodenlang nichts anderes, als miteinander und zu Paumyr zu sprechen. Sie stellten einander Fragen, sie diskutierten die Memorabilien des Kentikel Leibitz, sie erörterten philosophische Konzepte und unterbreiteten Paumyr, die sie ringsum umgab, deren Wände ein einziges Hören und Lauschen waren, selbst ihre absonderlichsten und verwegensten Gedanken.
    Jamaske, die auf Weisung des Hohen Horchers zumindest vorläufig nicht am endlosen Disput teilnehmen sollte, mußte erfahren, daß Paumyr auch zu ihren nächsten Vertrauten, den Wissenden, schon seit vielen Perioden nicht mehr direkt gesprochen hatte. Lediglich Helico Akka, der Hohe Horcher, behauptete, in regelmäßigen Abständen Paumyrs Stimme zu hören, aber die Mitglieder des Schweigekreises, der seinen Thronhügel ununterbrochen umstand, konnten nur von einem unverständlichem Wispern berichten, einem geisterhaften Rascheln eher, das gelegentlich die Thronhöhle erfüllte und wie mit tastenden Spinnenfingern in ihre Gedanken griff.
    Aber alle akzeptierten, daß die Worte des Hohen Horchers Paumyrs Worte waren.
    Paumyrs Worte waren nach der Überzeugung der Wissenden auch in den Memorabilien enthalten, den Büchern, die von Kristallmeister Kentikel Leibitz gehütet wurden, einem kleinen Mann mit schwarzen, in wirren Strähnen bis zu den Hüften hinabfallenden Haaren.
    Angeblich hatte jeder Kristallmeister seit Anbeginn Paumyrs Kentikel Leibitz geheißen. Und jede Kristallmeisterin genau umgekehrt: Leibitz Kentikel. Der Name entstammte, so wie der Name des Hohen Horchers Helico Akka - oder Akka Helico -, einer längst vergessenen Sprache, von der es hieß, die ersten Rautak, die von den äußeren Welten der Schmetterlingswolke nach Auroch-Maxo-55 gekommen waren, hätten sie gesprochen.
    Die ungewöhnlichen, weil zweigeteilten Namen erinnerten Jamaske an das seltsame Geschöpf Yol Gondaron, den Wanderkosmologen, den sie als Pflanzerin hoch oben im wasserblauen Blätterwald kennengelernt hatte. Vielleicht stammten die Namen des Kristallmeisters und des Hohen Horchers ja gar nicht von ihren Rautak-Vorfahren, sondern vom Volk der Sery-Mer?
    Die Bücher, die Kentikel Leibitz hütete, waren farbenprächtige Kristalle, die in einem Gewirr niedriger, annähernd ovalförmiger Höhlen aus Paumyrs Pflanzenwänden herauswuchsen. Sie waren von einem schimmernden, feucht wirkenden Film überzogen, der sich, wenn man ihn mit der Hand berührte, überraschend glatt und kühl anfühlte. Jedes Buch hatte eine andere Farbe, und jedes Kapitel - oder jede „Novella" - war ein einzelner, vielflächiger Kristall.
    Wenn Jamaske einen solchen Kristall mit beiden Händen umfaßte, dann konnte sie in den Büchern „lesen". „Lesen" bedeutete, daß ihr Wissen vermittelt wurde - und zwar auf unterschiedliche Art.
    Manchmal begannen die Kristalle zu sprechen, manchmal zeigten sie flächige oder auch räumliche Bilder, die große Ähnlichkeit mit den Erscheinungen am Silberschirm hatten, und manchmal vermittelten sie auch nur einen Strom von ungeordneten Gefühlen und Empfindungen.
    Jamaske verbrachte viel Zeit mit dem Studium der Memorabilien - die Zeit, die sie nicht bei Latruiz war oder

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