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204 - An Afras Ufern

204 - An Afras Ufern

Titel: 204 - An Afras Ufern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia Zorn
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Phillis’ Mutter gestorben war. Ungefähr zur selben Zeit hatten sich die Dankar an den Rand der Wüste zurückgezogen.
    Das Volk teilte sich: Die einen bewachten die nördlichen, die anderen die westlichen Grenzen der Großen Mutter, um sie vor Eindringlingen zu schützen. Denn im Delta der beiden Himmelsrichtungen lagen ihre heiligen Stätten. Immer wieder versuchten Fremde dorthin vorzudringen. Sie vermuteten einen Efrantenfriedhof dort und wollten sich das weiße Gold holen, wie sie das Elfenbein nannten. Aber bisher hatte es noch keiner geschafft. Niemand entging den aufmerksamen Augen der Dankar! Und diejenigen, die von Osten und Süden in die Wüste eindrangen, kehrten auf halbem Wege um oder starben.
    Zu weit war der Weg.
    Auch viele der Dankar schenkten ihr Leben der Großen Mutter bei dem Versuch, den Schatz zu finden. Sie taten es nicht aus Habgier, sondern um das weiße Gold aus der Wüste zu schaffen und endlich Ruhe zu haben vor den gierigen Abenteurern.
    Phillis zog sich ihr Tuch über die Augen. Sie dachte an ihren Geliebten. Sie hatte ihn das erste Mal auf dem jährlichen Fest der Dankar bei den heiligen Stätten getroffen. Aibas gehörte zu dem Stamm, der den Norden bewachte. Ein kräftiger Mann mit kleinen Lachfalten um seine strahlenden Augen. Er war größer als die meisten Männer der Dankar. Er fiel ihr sofort auf in seinem orangefarbenen Hemd, den roten Leinenhosen und mit dem rubinroten Stein, den er an einer Kette um seinen Hals trug.
    Aibas hatte die gleiche Vorliebe für die Farbe Rot wie sie.
    Als ihre Blicke sich begegneten, war es um sie geschehen.
    Nach diesem Tag beschlossen sie, sich nie wieder zu trennen.
    Er begleitete sie mit seinen Ziegen in Mulindwas Lager.
    Aber ihr Vater akzeptierte ihn nicht als Schwiegersohn. Seit Phillis vierzehntem Lebensjahr schickte Mulindwa grobschlächtige Krieger in ihr Zelt. Dumm wie Schafe und gierig wie Pavanaffen! Bislang hatte sie noch jeden dazu bewegen können, freiwillig wieder zu gehen. Sie hatte genug Spioninnen auf ihrer Seite, um den Männern zwei oder drei Vergehen nachzuweisen, durch die sie ihr Gesicht verlieren würden.
    Und nicht nur die Frauen standen hinter ihr. Auch Iwasko unterstützte sie. Der Allwissende hatte nicht diesen beschränkten Blick, was die Tradition den Dankar-Frauen vorherbestimmte: Nachdem ihr Vater begonnen hatte, Freier in Phillis Zelt zu schicken, nahm Iwasko sie eines Tages beiseite.
    Er gab ihr zwei Fläschchen mit Pflanzenextrakten: »Das eine ist, damit du nicht schwanger wirst. Und wenn du von diesem hier einige Tropfen in den Wein der Männer gibst, kriecht die Lust aus deren Lenden«, erklärte er ihr.
    Von da an entwickelte sich eine innige Freundschaft zwischen Phillis und Iwasko. Er wurde ihr mehr Vater, als es Mulindwa je sein konnte. Seit vielen Sommern bereitete der Allwissende sie heimlich auf ihre künftige Rolle als Stammesführerin vor. Auch hatte er Aibas gleich in sein Herz geschlossen. Wenige Wochen vor Aibas’ Flucht begann Iwasko ihn als Heiler auszubilden. Sie hofften, das könnte Mulindwa umstimmen. Aber sie hofften umsonst! Eines Tages brachte der Allwissende die Botschaft, dass ihr Vater Aibas in die Wüste schicken wollte, um den Efrantenschatz zu finden.
    Falls er erfolgreich wäre, sollte er Phillis Mann werden.
    Bei der Großen Mutter, wie sehr hasste Phillis ihren Vater dafür! Und sie rächte sich täglich an ihm: Seine jüngste Frau schuldete ihr einen Gefallen. Phillis hatte ihr geholfen, als diese von Nabende geschwängert wurde. Dafür träufelte die Frau jeden Abend einige Tropfen des Lusträubers in Mulindwas Wein. Aber selbst dieses Wissen konnte das Feuer ihres Hasses nicht löschen!
    Phillis presste die Lippen zusammen. Sie hatte Aibas angefleht, in die Große Stadt zu fliehen. »Wenn du mich liebst, gehst du nach Kisaayo…« Wie eine Gebetsmühle wiederholte sie diesen Satz. Bis er endlich ging. Seither waren viele Monde vergangen.
    Über die Späher der Dankar, die regelmäßig die Stadt aufsuchten, hielt das Paar Kontakt zueinander. Doch seit zwei Monden hatte Phillis nichts mehr von Aibas gehört. Als ihr Onkel nach Kisaayo aufbrach, versprach er ihr, nach dem Geliebten zu suchen.
    Aber der Fluch, der über den Lemuur gekommen war, veränderte alles! Sie musste Aibas zurückholen, damit er sich von Iwasko impfen ließ! Danach würde sie mit ihm fortgehen.
    Und keine Macht der Welt würde sie davon abhalten können!
    »Aibas«, flüsterte sie. Vor der Öffnung ihres

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