204 - An Afras Ufern
Gestalt. Es war der Alte, der ihm zuwinkte.
In diesem Moment schrie von irgendwo her eine Stimme:
»Hey, Kasanjas! Wollen wir uns das bieten lassen! Von einem Fremden und einem schwarzen Bastard?« Die Antwort war eindeutig. Eine Bewegung ging durch die Menge. Brüllend und johlend drängten sich in Leder gekleidete Leiber nach vorn.
Großer Gott! Matthew schaute sich hektisch um. Wo zum Teufel waren Rulfan und Wanja? Er hörte, wie eine Frau etwas in einem fremden Dialekt schrie. Andere Stimmen in der unbekannten Sprache wurden laut. Und dann geschah etwas, womit Matt nicht gerechnet hatte: Knüppel und Eisenstangen wirbelten und brachten die anpreschenden Kasanjas zu Fall.
Ein Johlen und Grölen brach los. Es war, als ob ein lange brodelnder Vulkan explodierte. Tonkrüge, Bronzegeschirr und Schrottteile flogen durch die Luft.
Matt Drax beobachtete, wie ein Pulk Kasanjas sich in eine Menschentraube aus fast ausschließlich Dunkelhäutigen warf.
Die Leute droschen aufeinander ein. Nach einer Weile konnte Matt nicht mehr erkennen, wer Kasanja war und wer nicht.
Neben ihm tauchte der Alte auf. »Wir jetzt gehen!« Der Schwarzhäutige zog ihn zur Seite. Zwischen den Kämpfenden und den Buden war eine kleine Gasse entstanden. Sie folgten ihr bis zum Rand des Platzes. Ab und zu mussten sie den Kopf einziehen, um umher fliegenden Wurfgeschossen auszuweichen.
Hinter den letzten Buden und Zelten suchte Matt die Stelle, an der er Rulfan und Wanja zuletzt gesehen hatte. Er brauchte nicht lange, bis er sie entdeckte. Schon von weitem erkannte er, dass etwas nicht stimmte: Sein Freund und der Führer waren von einem Dutzend Kasanjas umringt. Vier Bunthaare hielten Rulfan fest. Dessen Augen glühten vor Zorn. Matthew dämmerte langsam, warum ihm sein Freund nicht zur Hilfe gekommen war. Chira lag reglos zu den Füßen des Albinos.
Neben ihnen redete Wanja aufgebracht auf einen Mann ein, der in der Mitte der Gruppe stand. Offenbar vergriff er sich dabei im Ton, denn ein Bunthaar schlug dem Stadtführer brutal ins Gesicht.
Matthew beschleunigte seinen Schritt. Hinter sich hörte er den Alten, der ihm folgte. Als sie die Gruppe erreicht hatten, drehte sich der Mann in der Mitte zu Matthew um. Es war der Geierkopf vom Stadttribunal. »Ah, habe ich mir doch gedacht, dass du zu deinen Freunden zurückkehren wirst!«
Matthew schenkte ihm keine Beachtung. Er wandte sich an Rulfan. »Geht es dir gut?«
Der Albino deutete mit dem Kinn grimmig zu Boden. Dort lag Chira: Man hatte ihr Vorder- und Hinterläufe gefesselt, ein Lederband verschloss ihre Schnauze.
Matts Augen wanderten zu dem Sprecher des Stadttribunals.
»Was soll das?«
Der Geierkopf kam langsam auf Matt zu. »Ihr habt gegen Regel drei und fünf verstoßen!« Dicht vor ihm blieb er stehen.
»Weder Kasanjas, noch Fremden ist es erlaubt, eine kriminelle Vereinigung zu gründen! Der Stadtfrieden ist das höchste Gut der Kasanjas! Er darf nicht gestört werden!«
Matthew verschränkte die Arme vor seiner Brust. Am liebsten hätte er laut gelacht. Aber vermutlich würde das ihre Situation nur verschlimmern. Außerdem hatte er keine Lust, mit diesem Kerl über die Regeln der Kasanjas zu diskutieren.
Also versuchte er gelassen zu bleiben. »Falls es so wäre – was ich bestreite! – was würde das für uns bedeuten?«, fragte er mit ruhiger Stimme.
Die kalten Augen des Geierkopfs ruhten auf Matt. »Ein Verstoß gegen Regel drei und fünf wird mit dem Tod bestraft!«
***
In der Weißen Wüste
Wind und kleine Steine peitschten Phillis um die Ohren. Der Sturm war direkt über ihnen. Unablässig prasselte der Sand auf sie nieder. Sie kroch noch tiefer in die Mulde, die sie unterhalb ihrer liegenden Kamshaastute gegraben hatte. Das warme Fell des Tieres bedeckte jetzt ihren zusammengekauerten Körper.
Es roch nach ranzigem Öl.
Phillis blinzelte unter halbgeöffneten Augenlider zu der Stelle, an der sie Nabende zuletzt gesehen hatte. Aber ein dichter Vorhang aus Sand und Staub versperrte die Sicht.
Schnell kniff sie die Augen wieder zusammen. Es war nicht der erste Sandsturm, den sie erlebte. Aber der erste seit langer Zeit, bei dem sie außerhalb der schützenden Felsen des Lagers war.
Beim letzte Mal, als sie einen Sandsturm in der Wüste erlebt hatte, war sie ein Kind gewesen. Damals durchwanderten die Dankar noch als Nomaden die Salzwüste. Und damals schenkte ihr Mulindwa ein Kamshaafohlen: Yamina, die Stute, deren Körper sie jetzt schützte. Das war, als
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